An(ge)dacht
Liebe Leserin, lieber Leser!
Nun ist es fast geschafft. In zwei Tagen ist Weihnachten, je nach dem, wann Sie das Blättsche in der Hand halten. Die Adventszeit liegt hinter uns, das Warten auf Weihnachten. Die Geschenke sind besorgt und schon verpackt. Nun kann es losgehen! Ich freue mich auf die Gottesdienste, auf unser erstes Weihnachtsfest hier in Kleinostheim, in der St. Markusgemeinde. Und ich bin gespannt, wie voll die Kirchen sein werden. Ich freue mich auf die leuchtenden Kinderaugen, die noch so viele Erwartungen ausstrahlen. Und dieses Strahlen der Weihnachtsbäume, der vielen Kerzen und Beleuchtungen an und in den Häusern, lässt das Herz aufgehen.
Solch ein Strahlen, so ein Licht habe ich aber schon in der Adventszeit erleben dürfen. Ein Highlight!
Da saßen gut zwanzig Menschen beieinander. Lachten, redeten, aßen und besprachen Veranstaltungen und Gottesdienste für das nächste Jahr. Erzählten von ihrer Arbeit, ihrem Glauben. Jeder unterhielt sich mit seinem Nachbarn, der Pfarrer mit der Oberministrantin. Ja gut, werden sie jetzt vielleicht denken, das ist doch nichts Besonderes. Und doch war es ein Lichtblick. Es war für mich wie die Vorwegnahme der Jahreslosung 2017, in der es heißt: „Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ Denn der Pfarrer, der sich mit der Oberministrantin angeregt unterhielt war ich! Die Männer und Frauen waren Mitglieder des Pfarrgemeinderates von St. Laurentius und Mitglieder des Kirchenvorstandes von St. Markus! Neue Wege bedenken, Altes hinter sich lassen, nach vorne schauen, nach Gemeinsamen Ausschau halten, das wollten wir. Und dies nicht nur weil 2017 das große Jubiläum ansteht. Nein, es soll ein Aufbruch für die Zukunft sein, mehr als nur ein gutes Nebeneinander bzw. Miteinander. Wir wollen, und da waren sich alle einig, ein sichtbares Zeichen setzen!
Mit dieser schönen lichten Erfahrung, möchte ich Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen sowie Gottes Segen für das neue Jahr. Dieser Weihnachtssegen möchte uns alle ermutigen, unsere Herzen erhellen und uns in Bewegung setzen!
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Wenn du dich satt gesehen hast am Kind in der Krippe, dann mach, bevor du gehst, seine Augen zu deinen Augen, seine Ohren zu deinen Ohren, seine Hände zu deinen Händen. Dann geh und hilf deinen Brüdern und Schwestern. Dazu helfe dir der Mensch gewordene Gott.
Wenn du dich satt gesehen hast am Kind in der Krippe, dann mach, bevor du gehst, sein Lächeln zu deinem Lächeln, sein Herz zu deinem Herzen, sein Denken zu deinen Gedanken. Dann geh und sprich mit deinen Brüdern und Schwestern. Dazu stärke dich der Mensch gewordene Gott.
Wenn du dich satt gesehen hast am Kind in der Krippe, dann mach, bevor du gehst, seine Heimatlosigkeit zu der deinen, seine Not zu deiner Not, sein Angewiesen sein zu deinen Bedürfnissen. Dann erkennst du in jedem Menschen deine Schwester, deinen Bruder. Du erkennst in dem Kind Gottes Sohn und dich selbst.
Dazu segne dich der Mensch gewordene Gott.
In Amerika sitzen in den Wochen vor Weihnachten in den Kaufhäusern Weihnachtsmänner, die die Kinder der Kunden einladen, zu ihnen auf den Schoß zu klettern und ihnen ihre Weihnachtswünsche ins Ohr zu flüstern. Vor einigen Jahren ereignete sich dabei in einem New Yorker Kaufhaus Folgendes: Ein sechsjähriges Mädchen kletterte also dem Weihnachtsmann auf den Schoß … und kam gar nicht wieder herunter. Es redete auf den Mann ein, fragte, hörte zu und redete wieder. Als es schließlich herunterkletterte, fragte die Mutter etwas vorwurfsvoll: „Kind, was hast du denn die ganze Zeit erzählt?“ Darauf die Kleine: „Mama, ich weiß doch, dass er nach Weihnachten arbeitslos ist, und da habe ich ihm von der Stelle in Papas Büro erzählt, die nächstes Jahr frei wird.“
Nach Weihnachten ist der Weihnachtsmann arbeitslos! Vielleicht dachte das Mädchen ja an den Nikolaus als reale Figur, die halt nur vor Weihnachten Arbeit hat und nach dem Verteilen der Geschenke den Rest der Zeit eben nichts zu tun hat. Und wie das Kind am Ende von Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ so erfrischend unbefangen rufen kann: „Aber er hat ja gar nichts an!“, so hat sich auch dieses Mädchen Gedanken gemacht, was denn nach Weihnachten aus Weihnachten wird. Wie denn Weihnachten und Alltag zusammenpassen. Das sind auch Gedanken, die ich mir Jahr für Jahr mache. Vor allem, wenn ich daran denke, wie schnell nach Weihnachten – und hier meine ich schon den 27. Dezember – bei manchen schon wieder umdekoriert wird. Ich habe schon erlebt, dass der Weihnachtsbaum am 28. Dezember schon an der Straße stand, um entsorgt zu werden. Was bleibt von Weihnachten, wo wir in besonderer Weise geneigt sind, aus unserem Alltag herauszutreten und die Probleme, die uns belasten, zu vergessen. Das gehört zu einem Fest dazu, und dem einen gelingt es, anderen nicht so gut. Wem es gelingt, dem ist es wie ein Atemholen der Seele, das wir alle einmal brauchen. Aber Weihnachten löst unsere Probleme nicht auf einen Schlag: Wer vor Weihnachten im Streit mit Jemanden lag, der liegt vermutlich nach Weihnachten immer noch im Streit. Und gerade zu Weihnachten, wo doch alles so perfekt sein soll, kommt erst recht oft genug vieles hinzu, was nicht so perfekt ist bzw. war.
Und doch kann Weihnachten uns Mut machen, mit dem, was uns Sorgen macht, oder nicht gelingt, anders und neu umzugehen. Zu Weihnachten reden wir von der „Menschwerdung Gottes“. Das heißt, Gott ist Mensch geworden, um sich einzumischen. Er löst nicht einfach unsere Probleme, aber er arbeitet mit uns und durch uns daran. Gott wird nach Weihnachten nicht arbeitslos. Im Gegenteil, da fängt es eigentlich erst an! Für mich auch die Suche nach dem Kind, nach seinen Spuren, die es als Erwachsener hinterlassen hat.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Adventszeit! Zeit der Vorbereitungen! Zeit des Wartens! Zeit…
Bei den Überlegungen, was die Adventszeit alles ist bzw. sein will, fiel mir folgende Geschichte in die Hände. Um das Warten geht es da und die Adventszeit ist ja solch eine Zeit. Schaut man sich die Adventslieder im Gesangbuch an, dann wird ganz deutlich, dass es um´s Warten geht.
Worauf warten Sie? Worauf warten wir?
„Im absoluten Halteverbot am Bahnhof stand das Auto. Als der Polizeibeamte den Strafzettel schreiben wollte, sieht er den Mann am Steuer des Wagens. Darum klopft er an das Fenster. Der Mann - ein Religionslehrer übrigens - schreckt aus seinen Gedanken auf und lässt die Scheibe herunter. Der Polizist fährt ihn an: "Worauf warten Sie denn hier?" Darauf der Mann, noch an seinen Gedanken hängend: "Ich warte auf das Reich Gottes." Der Polizeibeamte muss ihn ziemlich entgeistert angesehen haben, und dann ist er kopfschüttelnd weitergegangen. Sogar das "Knöllchen" hat er vergessen.“
Aber die Situation ist so skurril, dass sie mir nicht aus dem Kopf geht. Und ich finde sie erhellend gerade für die Adventszeit - die Zeit des Wartens auf das Kommen Jesu. Worauf warten Sie eigentlich? Ich habe den Eindruck: Die meisten warten auf gar nichts. Man sieht eben nur, wie man den Stress der Zeit vor Weihnachten bewältigt, und dann geht es ja auch schon bald wieder weiter im nächsten Jahr. Wer auf nichts wartet, der erwartet auch kaum noch etwas für die Zukunft. Manche sagen vielleicht noch: Ich erwarte ein paar ruhige Weihnachtstage. Kinder erwarten manchmal ungeduldig ihre Geschenke; und viele erhoffen sich weiße Weihnachten. Aber wer wartet schon auf das Reich Gottes?
In früheren Generationen haben die Christen sehnsüchtig auf Gottes Reich gewartet. Inständig haben sie gehofft, dass endlich Gerechtigkeit und Frieden einziehen. Sie haben dafür gebetet, dass Not und Leid ein Ende haben werden, und dass Gott alles in allem sein wird. Und ich glaube, das Hoffen auf das Wiederkommen Jesu hat ihnen durchaus gut getan. Denn sie konnten die Augen aufheben aus den Sorgen und Nöten des Alltags und den weiten Blick bekommen, der dem Leben Hoffnung und Kraft gibt. Worauf warten Sie/wir?
Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele längst die Ziele und Hoffnungen begraben haben bzw. unter all den Lasten des Alltags vergessen haben, zu hoffen bzw. zu warten. Da ist viel mehr das Klagen und das Lamentieren über die Umstände an die erste Stelle gerückt. Und überhaupt: „Wozu soll ich noch hoffen und vor allem auf was?“
Wenn ich in den alten Adventsliedern lese, dann spüre ich, wie die alten Hoffnungen wieder lebendig werden und den Blick weit werden lassen. Den Blick auch über den menschlichen und weltlichen Horizont. Wie dieser Blick und auch diese Sehnsucht meinen Blick wieder gerade richtet auf das, was wirklich wichtig ist und worauf es sich lohnt zu warten. Gott kommt in einem kleinen Kind, wird selbst Mensch. Und dieser Funke Gottes liegt in uns Menschen verborgen, so dass wir an diesen Hoffnungen ein stückweit mitwirken können.
„Mach´s wie Gott! Werde Mensch!“
Ich wünsche uns allen solche Perspektive und Blicke der Hoffnung. Ohne die Sehnsucht nach dem ganz Anderen verkommen wir in unserer Gegenwart.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die erste Kerze brennt! Jetzt am Wochenende folgt schon die zweite! „Schoonnn!!!“, so ruft vielleicht der Eine oder Andere. Es gibt doch noch so viel vorzubereiten. Manches wurde schon erledigt, vieles steht aber noch aus!
Wir spüren die Betriebsamkeit, die Hektik… und manchmal halten wir inne und fragen uns, wofür das alles!?
Ob bewusst oder unbewusst, wir sind auf dem Weg… Ich lade Sie/euch ein, dem nachzuspüren, worum es geht! Ich lade Sie/Euch ein auf den geheimnisvollen Weg!
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
So oder so
Du schmückst dein Haus; stellst Kerzen auf und grüne Zweige.
Du bastelst Karten, die du gern verschickst. Schon lange vorher bedenkst du deine Lieben.
Du planst die Weihnachtsfeier im Betrieb und nimmst dir Zeit für deine Freunde. Du faltest für den Christbaum Schmuck und für die Patenkinder stichst du Kekse aus. Du hörst die alten Lieder wieder.
So oder so näherst du dich der Krippe
Du eilst wie immer hin und her und findest keinen Parkplatz in der Stadt. Du willst die Lohnsteuer noch machen und Karten schreiben willst du auch. Du streitest dich mit deinen Kindern und fährst gehetzt noch schnell zu Oma. Du ärgerst dich am Arbeitsplatz und hast der Chefin etwas Wichtiges zu sagen. Du musst das Auto in die Werkstatt bringen und willst noch schnell zum Arzt. Du kannst die Weihnachtslieder schon am 6. nicht mehr hören.
So oder so
Du freust dich an den Lichtern in der dunklen Zeit. Du liest im Buch adventliche Geschichten.
Den Kleinen erzählst du von Barbara und Nikolaus, vom Licht des Lebens und von Engeln ohne Flügel. Du baust die Krippe auf und jede Woche stellst du ein paar Figuren mehr dazu. Der alten Frau von nebenan schenkst du ein Lächeln und ein wenig Zeit. Du singst das eine oder andere Lied von Herzen mit in dieser Zeit.
So oder so näherst du dich der Krippe
Du weißt nicht, wohin du gehen sollst in diesen Tagen. Du fühlst die Leere schwer wie ein Gewicht. Du hörst sie überall noch sprechen, noch spürst du ihre schwache Hand. Bei den Toten gehst du sie besuchen. Du sprichst mit ihr und zündest eine Kerze an. Du weinst mal laut, mal tief in dich hinein. Du tastest dich von Tag zu Tag. Du kannst die hoffnungsvollen Lieder nicht ertragen.
So oder so näherst du dich der Krippe.
So oder so ist dir verheißen, dass Gott sich dort finden lassen will.
Amen. (Valentin Winnen)
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Liebe Leserin, lieber Leser!
Ja, in diesen Tagen kann man sie wieder in gut sortierten Blumenläden kaufen: Christrosen! Klein und unscheinbar kommt sie daher und ich bewundere immer wieder diese kleine Pflanze, die es schafft, mitten im Winter Blüten zu treiben. Erstaunlich, wie sie sich gegen das Dunkel und die Kälte durchsetzt und Blätter, Stängel und Blüten treibt. Und so ist diese unscheinbare und doch so schöne Pflanze für mich ein Zeichen der Hoffnung. Die dunkle Jahreszeit, der Winter wird irgendwann wieder ein Ende haben. Schnee und Eis werden sich zurückziehen. Die Sonne, die wochenlang verhangen war, wird wieder durchkommen und neues Leben in unsere Gesichter zeichnen. Gerade jetzt am Beginn eines neuen Kirchenjahres, noch mit den Gedanken dem vergangenen anhaftend, brauchen wir ein Zeichen der Hoffnung. Und dies gilt erst recht für die Kälte unserer Welt! Kriege, Terror, Menschen auf der Flucht… da brauchen wir Zeichen der Hoffnung. Täglich erfahren wir, wie Menschen sich gegenseitig bekämpfen. Wie Kinder unter Kriegen leiden. Wie Mütter ohne Zuflucht sind. Täglich sind wir selbst der Kälte unserer Welt ausgesetzt, wenn wir am Arbeitsplatz und in der Schule gemobbt werden, wenn nur die Leistung zählt, wenn Menschen sich von uns abwenden, wenn kein Raum für Liebe bleibt. Manchmal wünsche ich mir, dass gegen die Kälte unserer Welt ein Kraut gewachsen wäre. Eine Pflanze, die uns zeigt, dass diese Kälte nicht ewig anhält. Eine Pflanze, die uns auf den Weg zum Frieden und zur Freiheit führt. Viele wünschen sich das, aber ebenso viele haben längst resigniert, ziehen sich zurück oder machen halt mit… In einem alten Adventslied wird diese Dunkelheit und Kälte der Welt aufgegriffen und Ausschau gehalten nach einer neuen Hoffnung. „O Heiland, reiß die Himmel auf“, so heißt dieses Lied. In der zwei Strophe heißt es: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal. O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, dass Berg und Tal grün alles wird. O Erd, herfür dies Blümlein bringt, o Heiland, aus der Erden springt.“ Diese Sehnsucht, von der Jesaja spricht, ist aufgegangen, ja, sie ist längst gewachsen. Das Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ erzählt davon: „Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt‘s die Finsternis. Wahr‘ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd’ und Tod.“
Ich wünsche Ihnen und Euch allen, diese Zeichen der Hoffnung an diesem und den folgenden Adventswochenenden entdecken zu können.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Welche Sehnsüchte spüre ich? Welche Erwartungen habe ich? Welche Lebensdynamik will mich lenken? Was enttäuscht mich? Was erfreut mich? Was macht mir Angst? Was macht mich gelassen? Was wehre ich ab? Was lasse ich herein? Was lässt mich verstummen? Was kann ich aussprechen? Worüber ärgere ich mich? Worüber kann ich lachen? Was ist Last? Was macht Freude? Kurzum: Welcher Geist beherrscht das umgrenzte Land meines Lebens?
Danach zu suchen ist verheißungsvoll.
Bei aller Ambivalenz meines Lebens zwischen Grenzen einzuhalten und Grenzen zu überschreiten: Machen wir uns auf den Weg.“
Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Unweigerlich neigt sich das Kirchenjahr seinem Ende entgegen. Die letzten Feiertage, oder sollte man nicht besser Gedenktage sagen, haben nachdenkliche Themen. Wir gedenken der Kriege und hoffen auf Frieden für die Welt am Volkstrauertag. Wir feiern den Buß- und Bettag, erkennen unser schuldhaftes Verhalten im Großen wie im Kleinen und fassen uns dabei selber an die Nase und hoffen auf Gerechtigkeit. Am Ewigkeitssonntag oder auch Totensonntag genannt, denken wir an die Verstorbenen im zu Ende gehenden Kirchenjahr, aber auch an die, um die wir immer noch trauern und was wir selber hoffen und erwarten dürfen für unser ganz persönliches Leben. Bei all den Feiertagen geht es um Veränderung, die wir von der Gemeinschaft als Christen erwarten dürfen.
Und trotzdem sind und bleiben es dunkle und nachdenkliche Tage, eingebettet in die Tristes der Novembertage.
Und doch strahlt ein Tag besonders hervor. Vor diesen drei „schweren Tagen“ erscheint das Licht mitten in der Dunkelheit. Das Licht der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Das Licht, das von Christus selbst in einem Menschen entzündet wurde: Martin von Tours. Vor 1700 Jahren wurde Martin in Sabaria, einer kleinen Stadt im heutigen Ungarn geboren. Die Geschichte mit dem Bettler kennt jedes Kind und obwohl seit der Reformation die Heiligen in der Evangelischen Kirche keine so herausragende Rolle spielen, „St. Martin“ hat sich gehalten. Voran liegt das? An den schönen Legenden, die von Martin über die Jahrhunderte hinweg erzählt wurden? An den schmackhaften Martinsgänsen?... Ich glaube, es hängt wahrscheinlich an der ganzen Lebensgeschichte des Martin. Einer der bodenständig blieb, einer dem es nicht um Ruhm und Ansehen ging. Einer, der mit einer kleinen und doch so großen Geste, aufzeigte, was Menschen tun können und auch sollen. Miteinander teilen, füreinander da sein, einander wahrnehmen. Sehen und hören, auch wenn man am liebsten wegschauen und schweigen würde. Das sind für mich Zeichen, von denen bereits der Prophet Jesaja sprach. In Jesaja 35, 5f heißt es u.a.: „Blinde sehen, Taube hören, …“ Jesaja redet von Hoffnung, von Veränderungen die möglich sind, im Großen (in Gottes Zukunft, von der neuen Erde), aber eben auch im Kleinen. Das heißt für mich, dass diese Veränderungen bei uns beginnen, das Zukunft bereits im Hier und Jetzt beginnt. Jesus sagt dazu: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch!“ Oder: „Was ihr einem meiner geringsten Brüdern tut, das habt ihr mir getan.
Wer in die Zukunft hineindenkt, kommt ohne Bilder nicht aus. Das scheint eine Art Lebensgesetz: Wünsche und Hoffnungen sind immer mit Bildern verbunden. Und das erinnert, wie o.g., an Jesus. Die Evangelien erzählen, dass er diese Weissagung des Propheten erfüllt habe. Als der große Arzt seiner Zeit hat er den Kranken geholfen. Und die Bibel sagt außerdem, dass in den Heilungen, die Jesus durchführt, ein Signal für die Zukunft liegt. Einmal wird es kein Leid mehr geben und kein Geschrei, und Gott wird abwischen die Tränen von allen Menschengesichtern. Diese Hoffnung ist also mit dem Namen Jesu verbunden und mit den Menschen, die versucht haben in diesem Licht zu leben.
Die Laternenumzüge am 11. November (entweder auch davor oder danach) erinnern uns in der dunklen Zeit an dieses Licht. Es möchte uns wärmen und erleuchten und vor allem auch erinnern! Und da finde ich es schade, wenn wir als Christen nicht mehr zu dieser Tradition stehen oder nur noch halbherzig. Und das beginnt für mich, wenn die Laternenumzüge nicht mehr als das bezeichnet werden, was sie sind. In manchen Gegenden wird vom „Sonne, Mond und Sterne Umzug“ gesprochen, weil man „tolerant“ sein möchte. Aber diese Gegenden sind gar nicht so weit weg! Unsere Tochter liest fleißig das „Blättsche“. Letzte Woche kam sie zu mir und wollte wissen, was denn ein „Lichterlauf“ sei? Beim weiteren Lesen wurde dann klar, es handelt sich um einen Martinsumzug, denn danach gibt es neben Glühwein, keine Lichterlaufwecks, sondern „Martinsweck“
In diesem Sinne!
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Meine Schüler der ersten Klasse wünschen sich immer zu Beginn der Unterrichtsstunde (zum Frühstück) eine Gespenstergeschichte. Zu dieser Jahreszeit passt das auch ganz gut. Herbstzeit – Geisterzeit? Die Tage werden kürzer. Fallendes Laub raschelt geheimnisvoll. Kahle Bäume strecken in der Dämmerung ihre Äste aus und bieten trügerische Bilder. Nebelschwaden steigen aus den Wiesen herauf. Sie wabern als weiche Bank durch die Landschaft oder ziehen unvermittelt in Augenhöhe über die Straße. Alles wirkt unheimlich. Die alten Kopfweiden erscheinen plötzlich wie Gestalten. Etwas huscht schemenhaft über die Fahrbahn. Waren das Rehe? Auf dem Asphalt liegen Blätter als schlüpfrige Gefahr oder werden vom Luftzug herumgewirbelt. Ein Fuchs springt nach einer Maus am Straßenrand. Knarrend schlägt das Garagentor zu. Lange Spinnfäden ziehen durch den dunklen Garten und erschrecken durch ihre Berührung. Auf dem Dachboden rumpelt es, als jage dort eine Horde Poltergeister herum. Herbstzeit – Geisterzeit.
Geister haben Konjunktur, besonders im Herbst. Kürbisse, die „gelben Gesellen“, werden aus dem Garten geholt. Aber das geschieht weniger, um süßsaures Kompott daraus zu machen oder (was viel interessanter schmeckt) eines der aparten Kürbisgerichte mit Fleisch und anderem Gemüse. Nein, sie werden ausgehöhlt und mit Gesichtern versehen. Und auf die Frage: „Was feiern wir am 31. Oktober?“, kommt von den älteren Schülern oder Konfirmanden prompt: „Halloween!“ Am Montag war es wieder so weit. Ein ganzer Industriezweig arbeitet für den Halloween-Spuk. Gespenster haben Konjunktur, sind zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Fernsehen und Illustrierte vermitteln das Neueste über parapsychologische Phänomene. Ratgebersendungen informieren über die Poltergeister auf dem Dachboden – sind es wirklich nur Marder? Und das Horoskop spricht von Unerwartetem, warnt vor überstürzten Entscheidungen und hält die Ungewissheit in einem attraktiven Schwebezustand. „Sie werden heute vermutlich eine überraschende Begegnung haben …“
Gespenster hatten immer schon ihren Marktwert. In früheren Jahrhunderten hielt die Furcht vor Geistern Menschen von heimlichen Orten fern. Wie viel leichter waren die Untertanen zu beherrschen, wenn sie dunkle Wälder oder nächtliche Plätze wie den Kirchhof und die Ecke im Schatten der Stadtmauer ängstlich mieden, anstatt dort miteinander über die wirklichen Probleme ihres Lebens zu sprechen. Vorgebliche Gespenster verhindern Konspiration. Wie rasch lassen sich manche Menschen auch heute noch durch vermeintliche Geister von den Schreckensbildern dieser Welt ablenken. Dabei wären darin die eigentlichen Mächte des Bösen zu erkennen: Von Menschen verursachte Gewalt auf den Straßen, von Menschen begünstigte Naturkatastrophen, von Menschen zugelassener Hunger, von Menschen hingenommene Arbeitslosigkeit, von Menschen angezettelter Krieg und Terror. Das sind die wahren Ungeister, die wirklichen Gespenster unserer Tage. Alles andere sind Feierabendgespenster, Freizeithorror. Ein bisschen gruselig vielleicht, aber durch Knopfdruck zu beherrschen. Aber nur nicht abschalten! Diese Geister sind höchst erwünscht wegen ihres Marktwertes, als ein wirtschaftsfördernder Aspekt. Sonst könnte sich ja jemand eigene Gedanken machen.
Zu den wesentlichen Erkenntnissen der Reformation gehörte schon damals im 16. Jahrhundert die Aufforderung, den eigenen Verstand zu benutzen, sich nicht von Dämonen und Gespenstern tyrannisieren zu lassen. „Wo der Geist des Herrn Christus ist, da herrscht Freiheit“, ruft Luther mit den Worten des Paulus den Menschen seiner Zeit zu. „Die Freiheit eines Christenmenschen!“, so wie es Luther festgestellt und gefordert hat. Diese Freiheit und diese Geisteshaltung ermutigt immer wieder Menschen, auf die Seite der Benachteiligten zu treten, ihnen gegen die tatsächlichen Gespenster unserer Welt beizustehen. Ermutig einen selbst, um für seinen Glauben einzutreten; hier und jetzt! In dem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ fasst Luther diese Gedanken zusammen. Und so ist dieses Lied quasi zur Hymne der Protestanten geworden.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
"Ach hören Sie mir doch auf mit Gott!", sagte er und winkte müde ab, "wenn es den gibt, dann mag er mich nicht." Und er erzählte die Unglückgeschichte seines Lebens, eine Kette von Krankheiten, Enttäuschungen, Misserfolgen: "Ich habe immer nur Unglück gehabt und das, obwohl ich immer versucht habe, ein anständiger Mensch zu sein. Und dann habe ich erlebt, wie die Betrüger, die Skrupellosen nach oben kamen und Erfolg hatten und glücklich waren. Nee, hören Sie mir bloß auf mit Gott!", schloss er seine Klage. Ich wusste erst mal nichts zu sagen, dann fragte ich ihn: "Haben Sie Gott das mal alles geklagt?" - "Was?", fragte er verblüfft. "Na, all das, was Sie mir gerade geklagt haben!" - "Nein, nie!", antwortete er. "Bringt das denn was?" - "Wie können Sie das wissen, wenn Sie es noch nie probiert haben?", antwortete ich.
Ja, wenn es um das reden mit Gott geht, dem Beten, dann tun sich viele schwer. Und ich glaube, wie diesem Mann geht es vielen. Sie klagen anderen ihr Leid und Unglück, aber Gott nicht. Dabei machen es die Psalmen vor, zum Beispiel der 69. Psalm: "Gott, hilf mir; denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke im tiefen Schlamm, da ist kein Grund in Sicht; ich bin im tiefen Wasser, und die Flut will mich ersäufen. Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser; meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange auf meinen Gott warten muss. Lass mich doch nicht zugrunde gehen!"
Ob es dem Beter geholfen hat? Ich vermute es, sonst wäre es wohl nicht als Gebet gesammelt worden. Ob es Ihnen hilft, einmal Gott ihr Leid zu klagen? Probieren sie es aus! Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass es gut tut, nicht nur Dank und Freude vor Gott zu bringen, sondern auch all meine Sorgen und Nöte. Denn Gott kennt sie und wartet nur darauf, dass ich sie IHM auch sage. Wie heißt es im 1. Petrusbrief treffend: „All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“
Ist das nicht ein Versuch wert?
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
An(ge)dacht
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Es war wieder einmal so weit. In einer meiner Religionsstunden kam das Gespräch auf, was denn beten sei?
Auf meine Frage, wo denn noch gebetet wird, kam die einhellige Antwort: „In der Kirche!“ Beim Nachfragen ob es denn noch andere Orte gibt, wurden die Schüler einsilbig… Das Gebet spielt im Alltag bzw. zu Hause kaum eine Rolle. Ja, was ist denn ein Gebet? Und wie würden Sie erklären, was ein Gebet ist?
Ganz einfach, werden Sie sagen: Beten, das ist mit Gott reden. Gut, und was sagt man da Gott? Nun, man bittet ihn um etwas, zum Beispiel um Gesundheit, um Schutz vor allen Gefahren und so. Und sonst? Noch was? Ich glaube, jetzt stocken viele: Ist beten nicht dasselbe wie bitten? In der Bibel steht, dass man mit Gott reden kann wie mit einem Freund. Wenn das stimmt: Was würden Sie wohl von einem Freund halten, der Sie nur um etwas bittet, und noch mal bittet und wieder bittet, und sonst nichts sagt? Vermutlich hielten Sie ihn für unmöglich und ein Freund wäre er für Sie auch nicht mehr. Ein Glück, dass Gott da geduldiger ist mit uns. Auch wenn er darauf wartet, dass wir mit ihm tatsächlich reden wie mit einem Freund. Unser Herz ausschütten, uns beklagen und uns Luft machen, ihn fragen und ihm von unserem Glück erzählen, ihn bedrängen, vielleicht sogar anklagen. Geht das nicht zu weit? Nein, sicher nicht. Die alte Gebetssammlung der Bibel, die Psalmen, die machen uns das vor, da wird gelobt, gefragt, geklagt, erzählt, angeklagt und natürlich auch um etwas gebeten. Aber eben all das kommt vor. Ich finde das einfach gut, dass wir mit Gott reden können, wie uns zumute und wie uns der Schnabel gewachsen ist. Sie sollten es einmal probieren, mit Gott zu reden wie mit einem Freund oder einer Freundin. Es tut gut, glauben Sie mir.
Ein Gebet, dass mir persönlich im Alltag oft hilft, weil es meinen Blickwinkel ändert und mich ruhiger werden lässt, möchte ich Ihnen mit in die neue Woche geben, verbunden mit dem Wunsch, das Gebet zu Gott, ganz neu zu entdecken. Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
An(ge)dacht
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Neulich fiel mir ein merkwürdiges Bild in die Hand. Da stand auf einer Tafel, es war so eine, wie man sie oft an Verkaufsständen oder Ladentüren findet, folgende Worte: „Heute wegen gestern geschlossen!“
Ein schlichter Text, der gar nicht so witzig erscheint, wie er beim ersten Lesen klingt.
Die Worte geben ein Rätsel auf. Die Worte teilt uns mit: Heute wegen gestern geschlossen. Gestern muss also etwas geschehen sein, was auf heute – und vielleicht auch noch auf morgen – ausstrahlt. Das Ereignis, das diese Folge hat, wird uns nicht mitgeteilt. Entweder geht es niemanden etwas an, oder es ist sowieso allen bekannt, die das Lokal aufsuchen wollen. Heute wegen gestern geschlossen. Der Grund dafür könnte, im schlimmsten Fall, ein Unfall oder ein Todesfall sein. Aber auch freudige Anlässe wie eine Hochzeit der Besitzer oder die Geburt eines Kindes sind denkbar. Auf jeden Fall verschwimmen hier die Zeiten. Heute ist etwas nicht – wegen gestern. Und morgen ist ungewiss.
Wie im richtigen Leben, könnte man sagen. Der schlichte Text auf dem Schild ist gar nicht nur witzig. Er zeigt etwas an, was eigentlich selbstverständlich ist. Das allerdings tut er schwungvoll und klipp und klar. Gestern ist nicht einfach vorbei, sondern prägt das Heute. Gestern verschwindet nicht im Nichts, sondern hat seine Wirkung. Manchmal merke ich sie, durchaus schmerzhaft, manchmal überhaupt nicht. Und manchmal prägt das Gestern noch viel länger als nur bis heute. Es gibt Ereignisse, die man nie mehr vergisst, im Schönen wir im Bösen. Was ich heute bin, bin ich auch wegen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte.
Der amerikanische Schriftsteller William Faulkner (1897–1962, Literaturnobelpreis 1950) schreibt in einem Roman den bemerkenswerten Satz: Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen. Dieser Satz stimmt, denke ich. Nichts, was war, ist einfach weggewischt oder ausgelöscht. Vielleicht vergesse ich es, womöglich auch gründlich, als hätte ich es gelöscht. Aber deswegen ist es noch nicht gelöscht, denn ich bin ja nicht alleine auf der Welt. Den Schlussstrich, den ich ziehen möchte und vielleicht ziehe, ziehen andere deswegen noch lange nicht. Alles, was ich erlebt habe, prägt mich und andere. Alles, was wir Geschichte nennen, ist nicht auszulöschen. Die Reformation prägt unser Land bis heute, im Guten wie im weniger Guten. Das spüre ich auch immer wieder im Religionsunterricht, vor allem wenn es da um die dunkle Geschichte zwischen Juden und Christen geht, eingebunden auch in unsere dunklen Kapitel deutscher Geschichte. „Ach Herr Pfarrer, nicht schon wieder! Was haben wir damit zu tun…?“
Doch, das zeigen auch wieder die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen (AfD etc.): „Das Leben kennt keinen Schlussstrich.“
Menschen werden und sind geprägt von dem, was sie erlebt, getan und gelassen haben. Es kann sein, dass ihnen das nicht immer bewusst ist. Dennoch sind sie geprägt vom Guten, was ihnen andere bereitet und sie anderen bereitet haben, oder von der Schuld, die sie begangen oder erlitten haben. Unser Land ist geprägt von allem, was wir Geschichte nennen – den Zeiten der Freude und des Glücks wie den schrecklichen Zeiten der Kriege und millionenfacher Morde. Das Leben eines einzelnen Menschen, die Geschichte der Länder und der Welt kennen keinen Schlussstrich. Und selbst wenn wir so tun und es uns scheinbar gelingt, bleibt es bei Gott doch aufgehoben. Gott ist das Gedächtnis der Welt. Und was heißt das? Es heißt Vorsicht. Wenn nichts wirklich auszulöschen ist wie Buchstaben auf einer Tafel, sollten wir vorsichtig sein. Vorsicht im Sinne von: Was ich heute tue, hat Auswirkungen auf morgen und übermorgen und wer weiß wie lange. Vorsicht im Sinne von: Was ich gerne vergesse, vergisst Gott noch lange nicht. Bei dem, was ich tue und lasse, denke ich so weit möglich auch an das, was es bewirken mag im Guten wie im Bösen. Ich sehe nach vorne und bedenke, was sich ergeben könnte. Ich bemühe mich zu vermeiden, mich später erschrocken sagen zu hören: Das habe ich nicht gewollt oder gewusst. Vielleicht hätte ich es ja wissen können mit etwas mehr Umsicht.
Ich lebe also nicht auf meine Rechnung. Und mache meine Rechnungen auch nie ohne den Wirt, wie man so schön sagt. Eine wertvolle Umsicht und Vorsicht liegt, lebenslang, in dem Sätzchen, das der Psalm 51 betet: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Während ich diese Zeilen schreibe, hat das Wetter endgültig umgeschlagen. Vorbei der Altweibersommer mit seinen schönen und sonnigen Tagen, mit den manchmal doch recht hoch empfundenen Temperaturen. Es ist kühler geworden und es regnet. Der Regen tut gut und ich weiß: Irgendwann wird es wieder aufhören zu regnen, aber die schönen Sommertage mit viel, viel Sonne, die sind vorbei. Und ich denke daran, dass jetzt so langsam die Monate ihren Schatten voraus werfen, die vielen Menschen nicht gut gefallen und die von so manchem sogar gefürchtet werden. Noch ist Oktober, aber die Nebel am Morgen verraten schon, dass es bald anders sein wird und der November steht schon vor der Tür. Der November mit seinen grauen Tagen und den dunklen Gedenktagen: Volkstrauertag, Bußtag, Totensonntag. Die Wintermonate, bei uns in den letzten Jahren mit so wenig Sonne und Helligkeit … Nur ein paar von uns können dem entfliehen, entweder in die Berge oder in den sonnigen Süden, wir anderen müssen dadurch. Auch meine Frau macht sich auch jetzt schon Gedanken, wie es sein wird jeden Morgen bei Dunkelheit auf der Autobahn zur Arbeit fahren zu müssen. Da müssen wir halt alle durch - aber eben, wie?
Vielleicht kennen Sie die Geschichte, in der ein gutes Rezept dafür verborgen liegt. Vielleicht haben Sie sie als Kind gehört oder Ihren Kindern oder Enkeln vorgelesen. „Frederick“ heißt das Bilderbuch, das von einer Maus erzählt, die sich bei der emsigen Ernte von Körnern, Beeren und Nüssen nicht beteiligt. Während die anderen schuften, sammelt er, so sagt er, Farben, Bilder und Worte. Im Winter dann, als die gesammelten Vorräte der anderen fast aufgebraucht sind, fragen sie ihn nach seiner Ernte, und er lässt sie die Augen schließen und mit seinen Worten das Gelb und die Wärme der Sonnenstrahlen nacherleben, malt ihnen die Sommerwiesen vor Augen und erfreut sie mit kleinen, im Sommer ausgedachten Gedichten.
Und er hilft ihnen wirklich damit.
Also, machen Sie es wie Frederick, besinnen Sie sich auf die während des Sommers gesammelten Farben, rufen Sie sich die erlebte Wärme ins Gedächtnis zurück, erinnern Sie sich an die schönen Erlebnisse, schmecken Sie noch einmal das genossene Eis. Und nutzen Sie die schönen Tage, die jetzt noch im Herbst kommen, um eifrig weiter solche Vorräte zu sammeln.
Sie bezweifeln, dass Sie genug zusammen haben, um über den Winter zu kommen?
Nun, auch in den dunklen Tagen, die jetzt kommen, gibt es Tage, an denen Sie Licht und Wärme auftanken können: beim gemütlichen Sitzen auf dem Sofa; beim Anzünden von Kerzen; in den Adventswochen vor dem Weihnachtsfest und und und… Lassen Sie sich nicht gefangen nehmen von der Dunkelheit, sondern erleuchten Sie diese mit ihren schönen Erinnerungen. Max Frisch hat einmal gesagt: „Gott schenkt uns Erinnerungen, damit wir Rosen im Winter haben.“ Und davon wünsche ich Ihnen in den nächsten Wochen und Monaten einen ganzen schönen Strauß.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
DANK SEI GOTT
Wie oft haben Sie schon "Gott sei Dank" gesagt? Wie schnell sagt man das nur so dahin, ohne dabei an Gott zu denken? Es ist eine Floskel geworden. Im Oktober, der ja nun morgen beginnt, liegen das kirchliche Erntedankfest und der Tag der deutschen Einheit zeitlich nah beieinander. Ein kirchlicher und ein politischer Feiertag, die auf dem ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Beim genaueren Hinsehen wollen beide Feste uns erinnern, dankbar zu sein. Dank für die wiedergewonnene deutsche Einheit vor 26 Jahren und Dank für die gute Ernte 2016, auch wenn sie im Deutschlandtrend Einbußen verzeichnet. Im Deutschen liegen die Worte Danken und Denken nahe beieinander. Wer denkt, der dankt. Oder mit anderen Worten: Wer nachdenkt, erinnert sich an den Grund zum Danken. Trotz der vielfältigen Probleme mit der hohen Arbeitslosigkeit in unserem geeinten Deutschland können wir dankbar für die Deutsche Einheit sein. Wer will denn von uns ernsthaft zurück in die Bevormundung des SED-Staates? Wir müssen uns nur erinnern, was es in der DDR an Willkür, Ungerechtigkeit und Benachteiligung von Andersdenkenden gab. Gewiss haben wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Gerechtigkeit auf Erden, aber wir haben einen Rechtsstaat, in dem wir uns für unsere Rechte einsetzen können, ohne dafür von vornherein ausgegrenzt oder eingesperrt zu werden. Meinungsfreiheit ist ein großes Gut, für das wir immer wieder dankbar sein sollten und nicht als selbstverständlich erachten. Meinungsfreiheit, die aber nicht dazu dienen sollte, die Freiheit anderer in Frage zu stellen. Meinungsfreiheit, die nicht im dumpfen nachplappern von hohlen Parolen besteht!
Der andere Dank bezieht sich auf die gute Ernte. Auch und gerade im Blick auf die vielen Missernten, die es weltweit geben wird! Unsere Kirchen werden wieder geschmückt sein und es finden gut besuchte Gottesdienste statt. Für viele gibt es keinen Bezug mehr zur Ernte. Die Nahrungsmittel gibt es reichlich zu kaufen. Unser Problem ist nicht das Maß an Essen, sondern das maßvolle Essen und der maßvolle Umgang mit unseren Lebensmitteln. Mit Sorge betrachte ich, wie immer mehr Lebensmittel nicht nur einfach vernichtet werden, sondern Lebensmittel zu Energieträgern umfunktioniert werden. Nicht alles was machbar erscheint, sollte auch so umgesetzt werden. Denn wie können wir es verantworten, dass bei uns Getreidesorten zur Gewinnung von Energie eingesetzt werden und wo anders verhungern Menschen…
Zu DDR-Zeiten hieß es: Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein. In den letzten Jahren haben wir durch Flut und lang anhaltende Trockenheit, durch die vielen Wetterkapriolen gespürt, dass das nicht die Wahrheit ist. "Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand." Ein mutiger Pfarrer in der DDR hat auf ein Transparent geschrieben: "Ohne Sonne und ohne Gott geht die ganze Welt Bankrott". Daran sollten wir uns erinnern am Tag der Deutschen Einheit und zum kirchlichen Erntedankfest.
Dank für alles, was wir zum Leben haben und was uns geschenkt wird. Dank und Denken; das heißt aber auch mit wachem Verstand durch das Leben zu gehen und Gott darin zu entdecken: in den Menschen, die mir begegnen; in der Natur und Schöpfung mit der ich lebe und die ich bewahren soll.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Wenn Sie am Wochenende diese Zeilen in unserem „Blättsche“ lesen, ja dann ist es soweit! Die Sommerferien sind zu Ende und am Dienstag geht es dann vor allem für unsere Kinder los. Die einen kommen ganz neu in die Schule, die anderen erwartet ein Schulwechsel, mit ebenso viel Neuem… Sehnsüchtig geht vielleicht der Blick zurück und damit auch verbunden die Frage, wo ist die schöne Urlaubszeit hin? Es ging alles so schnell vorbei! Was bleibt von den Eindrücken, der Ruhe?
Manchmal habe ich den Eindruck mit dem ersten Arbeitstag, ist alles wie weggeblasen. Die Arbeit schüttet einen gleich von oben bis unten zu! Was bleibt?
Jetzt, wenn ich Menschen begegne und sie frage: „Hatten Sie einen schönen Urlaub?“, antworten die meisten: "Naja schon! Aber leider schon vorbei!"
Bei mir ist das auch so, und weil ich erlebe, wie der Alltag wieder beginnt mich aufzufressen, möchte ich Ihnen und mir ein paar Tipps geben:
Bevor Sie und ich schon wieder vom nächsten Urlaub träumen, oder sogar schon zu planen zu beginnen - versuchen Sie doch mal, ein wenig vom vergangenen Urlaub in ihren Alltag zu retten: Sie haben ein gutes Buch gelesen, weil es in Ihrem Hotelzimmer keinen Fernseher gab. Warum nicht auch jetzt den Fernseher mal auslassen und zu einem Buch greifen?
Sie haben abends bei einem Glas Wein viel mit Ihrer Frau oder Ihrem Mann geredet? Was hindert Sie daran, das jetzt auch zu tun? Sie haben gemerkt, wie gut Ihnen die viele frische Luft tat, und Sie deswegen gut schlafen konnten? Ist denn die Luft in unserem Wald nicht auch gut? Was hindert Sie am kurzen täglichen Spaziergang außer die Alltagsgewohnheit?
Sie waren auch mal im Gottesdienst, weil es an Ihrem Urlaubsort eine so schöne Kirche gab? Suchen Sie sich doch unter den Kirchen hier bei uns eine schöne aus und tun Sie das Gleiche!
Eine Anekdote erzählt, dass bei einer Himalaja-Expedition die einheimischen Sherpas nach drei Tagen anstrengender Wanderung in Richtung Gipfel am vierten Tag keine Anstalten machten, aufzubrechen. Als der Expeditionsleiter erbost fragte, warum es nicht weiterging, sagte ein Sherpa: "Heute müssen wir hier ruhen, Sahib. Es muss erst unsere Seele nachkommen."
Also, lassen Sie Ihre Seele nachkommen, lassen Sie den Urlaub nachklingen. Vielleicht gelingt es ja sogar, ein wenig vom Urlaub in den Alltag zu holen. Was das mit Gott zu tun hat? Nun, am Ende seiner Schöpfung stand als krönender Höhepunkt die Ruhe am siebten Tag. Und das dritte Gebot kann man auch übersetzen mit: "Du sollst dich nicht zu Tode hetzen."
So wünsche ich uns allen einen guten Start, vor allem auch unseren Kindern. Ich wünsche euch einen guten Schulanfang und Gottes Segen! Uns Eltern wünsche ich Zuversicht, Vertrauen und Gelassenheit, was unsere Kinder betrifft. Die schaffen das schon!
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Ein ganz herzliches DANKESCHÖN an alle, die mir einen so schönen Abschied bereitet haben
Am 8. Mai wurde ich nach 14 Jahren Dienst in der St. Markusgemeinde in Mainschaff im Ev. Gemeindezentrum verabschiedet. Es war zum Glück keine nur traurige Angelegenheit, sondern insgesamt eine heitere und auf allen Seiten von Dankbarkeit geprägte Verabschiedung. Man kann sagen: Es war ein schöner Abschied nach 14 wirklich guten Jahren. Ich möchte mich endlich mal an dieser Stelle bei allen bedanken, die dafür gesorgt haben, dass dieser Abschied so besonders schön war: den Vorbereitenden, die eingekauft, Schnittchen geschmiert und Kuchen gebacken haben, den Aktiven im Gottesdienst, dem Chor und Posaunenchor, den Rednern der Grußworte, allen, die gekommen sind und mich mit ihrem Dasein, ihren persönlichen und warmen Worten, Geschenken, Herzen und heiteren Lieddichtungen reichlich beschenkt haben. Alles ist mir noch in guter Erinnerung und ich danke allen herzlich dafür.
Inzwischen ist der große Umzug vollzogen und die meisten Dinge sind ausgepackt und an ihrem neuen Ort untergebracht. Wir haben uns schon ein wenig eingelebt und ich habe meine neue Gemeinde näher kennengelernt. "Wie geht es Dir?" werde ich öfter gefragt, wenn mir jemand aus Oscheff begegnet. "Es geht mir gut in Schweinheim", sage ich dann meistens. Denn in Schweinheim leben wie in Mainaschaff lauter nette Leute und es lässt sich dort auch wunderbar leben und arbeiten.
Dietrich Bonhoeffer hat mal gesagt: "Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich."
So trage ich nun auch die vergangenen 14 Jahre und vor allem die vielen Menschen, die mir in dieser Zeit begegnet sind, wie ein kostbares Geschenk in mir. Ich freue mich daran und danke dafür.
Herzlichst Ihre / Eure Birgit Niehaus
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Im alttestamentlichen Psalter finden wir den 139. Psalm. Dort heißt es an einer Stelle:
„Von allen Seiten umgibst DU mich und hältst DEINE Hand schützend über mir.“ (Psalm 139,5)
Diese Worte kamen mir in den Sinn, als ich letzten Freitag (Ferienbeginn in Hessen) unsere Tochter von der Schule abholte und auf der Autobahn schon recht reger Ferienverkehr einsetzte…
Was machen Sie im Urlaub? Vielleicht antworten Sie: „Einfach mal abschalten! In den letzten Monaten ist so viel auf mich eingestürmt, familiäres, Arbeit, Schule, ganz persönliches…
Darum: Erst einmal abschalten!“ Ich halte das für wichtig und gut. Mir geht es so, dass ich dann überhaupt erst wieder das entdecke, was mich ständig umgibt: der Garten, meine Familie, Freunde und Bekannte, auch wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe leben. All das ist immer da, aber es ist zugedeckt durch die Eindrücke und Anforderungen, die durch die Arbeit auf mich immer wieder einstürzen.
Und wenn ich dann den Satz aus dem 139. Psalm lese, dann wird mir klar: Dem, der das sagte, dem muss es so ähnlich gegangen sein. Der hat sich mal Zeit genommen, tief durchgeatmet und dann staunend gesagt: „Von allen Seiten umgibst DU mich und hältst DEINE Hand schützend über mir.“
Ist das denn wahr?, werden Sie vielleicht fragen. Mehr als nur Schwärmerei? Ist denn in all dem, was mich umgibt, Gott? Ich meine: Nein, in dem, was mich umgibt, ist nicht Gott, aber Gott umhüllt mich mit seinem unsichtbaren Sein. Gott ist so, wie das, was mich umgibt: Eben immer da. Ich merke nur seine Gegenwart oft nicht, seine schützende Liebe nehme ich oft genug nicht wahr. Und trotzdem ist Gott unser aller „Lebenselixier“, sagt dieser Satz, eben so, wie die Luft, die wir atmen, eben selbstverständlich atmen. Die Luft die wir oft genug gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie selbstverständlich für uns ist.
Wie sehr wir sie brauchen, das merken wir erst, wenn sie uns fehlt. Der Psalmbeter staunt. Er fühlt sich geborgen, weil er erkennt: „Was ich auch tue – Gott ist da. Wo ich auch bin – Gott ist da!“
Und der Beweis dafür? Er hat keinen und ich kann Ihnen auch keinen geben. Ihm sind damals die Augen aufgegangen für Gottes ständige, stille Gegenwart in seinem Leben.
Dass Ihnen und mir die offenen Augen geschenkt werden, wie sie der Psalmbeter hatte, das ist mein Urlaubswunsch für Sie und für mich. Vielleicht hilft auch jenes Wort, was mich im letzten halben Jahr begleitet und gestärkt hat: „Denke daran, wo immer du dich niederlässt: ER IST SCHON DA, der dich getragen, geprägt, geführt und befreit hat. ER ist schon dort, der dich in Ungeahntes, Neues führt. ER ist schon dort. Geh mit ihm, erfahr ihn, wie du es nie geglaubt. ER ist schon dort. Geh – du bist nicht verlassen. DER HERR ZIEHT MIT! (Bernhard von Clairvaux)
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
In der letzten Woche haben viele von ihnen sicherlich Post bekommen. Die einen haben schon darauf gewartet, andere haben diesen Brief mal wieder mit Argwohn geöffnet. Wieder andere haben vielleicht wieder einmal darüber nachgedacht, einen Schlussstrich zu ziehen… Ich meine den Brief mit der Bitte um das Kirchgeld! Kirche und Geld, das gibt immer wieder Anlass zur Diskussion!
Kirche, die brauche ich nicht. Es ist populär, so zu reden. Und wirklich: Es kommt durchaus vor, dass Menschen sich so überzeugt geben, weil sie sich an ihrer Kirche reiben oder sich über sie ärgern. Die Kirche ist ja durchaus ein Thema. Politiker fragen nach Hilfestellung, wenn es um die Patientenverfügung geht, um Sterbehilfe oder um Solidarität mit denen, die in unserer Gesellschaft am Rand stehen. Kirche ist auch Thema von Gesprächen im Privaten. Und spätestens, wenn die Rede darauf kommt, was "meine" Kirche zu sagen hat oder zu tun gedenkt, möchte sich manch einer am liebsten verkriechen. "Mehr Klarheit" und eine feste Linie wünschen sich immer wieder evangelische Christen von ihren Synoden und Leitungen - zu vieles bleibt unbestimmt. "Evangelische Freiheit" nennen das dann die einen, "die wissen nicht, was die wollen", die anderen. Manchmal haben auch katholische Glaubensgeschwister das Gefühl, sich am liebsten verkriechen zu wollen, wenn "Rom" wieder einmal gesprochen hat und es ihnen nicht nur leicht macht, zu ihrer Kirche zu stehen. "Ab unter den Teppich", am besten nicht erkannt werden, ist dann fast schon ein Fluchtreflex, wenn man sich sogar ein wenig geniert für die eigene Kirche.
Kirche? Ich steh dazu!
Es gibt Gründe, in der Kirche zu bleiben, weil sie mir Hilfe zum Leben und zum Sterben gibt, die ich mir selbst nicht geben könnte. Die äußeren Bedingungen, unter denen wir die Kirche gestalten, ändern sich. Aber: Wir müssen die Kirche nicht neu erfinden. Wir müssen fragen, was wir mit den Menschen und den Möglichkeiten tun können, die wir haben. Abschiede von Liebgewonnenem sind unvermeidlich. Aber sie nötigen zu einer neuen Konzentration. Wenn nicht mehr alles möglich ist, dann stellt sich sofort die Frage, was denn noch möglich ist.
Zum Beispiel feiert die Kirche Gottesdienst. Selbst wenn wir nichts anderes mehr täten - wir würden Gottesdienst feiern. Wir leben aus dem Wort Gottes. Wir leben aus dem Gottesdienst, der Feier dieses Wortes. Wir brauchen dazu Orte, wo Menschen zusammenkommen können mit anderen, mit Gott und den Spuren der Mütter und Väter im Glauben. Wir brauchen dazu Verkündigung und Verkündiger, die in Wort und Musik Gottes Wort austeilen. Wenn nicht mehr alles möglich ist, dann würden wir Gottesdienst feiern und das schön machen, woraus wir leben. Vieles wäre verzichtbar - aber nicht, Menschen dieses Lebens-Mittel im wahrsten Wortsinn zu nehmen. Und ihnen damit von der Hoffnung zu künden, dass Gott alle Tränen abwischen wird und über allem auch Belastenden dieses Lebens die gute Aussicht steht.
Zum Beispiel ist in der Kirche das Wort der Heiligen Schrift zu hören. Die Bibel bietet eine Sprache gegen die Hoffnungslosigkeit und Bilder gegen die Verzweiflung. Daraus lässt sich schöpfen - auch noch, wenn ich selbst am Ende bin und die Hoffnung eigentlich schon verloren habe. Am Grab zum Beispiel, da hören wir aus der biblischen Botschaft eine Hoffnung, die wir uns selbst nicht mehr sagen können, weil es uns die Sprache verschlagen hat. Da blitzt dann etwas auf vom Reich Gottes, hier schon, heute, jetzt. Das macht mein Leben anders. Weil ich nicht vertröstet werde auf ein unbestimmtes "Später", sondern ich werde auf das "Jetzt" als Zeit der Gnade und des Heils hingewiesen.
Kirche, die brauche ich nicht? Auch wenn ich mich manchmal ärgere, auch wenn ich mich manchmal verkriechen möchte. "Der Ort ist gut, an dem in der alten Erinnerung gekramt wird; die Kirche ist gut, die die alten Bücher aufbewahrt und die sie jeden Sonntag zur Sprache bringt. Die Kirche bildet das Gewissen und die Herzen der Christen. Und wenn die Christen schwach und vergesslich sind - schlimm genug! - ist immer noch diese Institution da mit ihrem Elefantengedächtnis. Die Kirche ist die Langfristigkeit des Geistes." (Fulbert Steffensky, Wo der Glaube wohnen kann).
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserinnen! Liebe Leser!
Glauben ist wie eine große Liebe! Dieser Satz ging mir nach. Und ich finde, diese Aussage hat etwas für sich, gleicht einem schönen Bild. Doch dieses Bild hat einen Haken, vielleicht sogar zwei. Zum einen gibt es wie für die Liebe keine Sicherheit und mit dem Beweis ist es auch nicht so einfach. Ob Liebe oder Glaube… es bleiben Haken!
Natürlich gibt es für beides Zeichen: für die Liebe zum Beispiel einen besonderen Ring, eine Kette, einen Blumenstrauß. Oder man geht im Partnerlook. Alles wunderschön und hoffentlich wirklich lieb gemeint - aber ein Beweis im wörtlichen Sinn ist das natürlich alles nicht. Was für den einen die schönste Liebeserklärung ist, hält der andere für schwülstigen Kitsch. Und was der einen Herzklopfen verursacht, entlockt der anderen kaum ein Grinsen. Mit dem Glauben ist das genauso. Die Geschichten und Berichte über Jesus zeigen das ganz deutlich: Manche Menschen halten beispielsweise die Auferstehung von Jesus für das wichtigste Ereignis der Welt; andere Menschen halten Jesus für tot und Ewigkeit für Einbildung oder Selbstbetrug. Beweisen kann man den Glauben und die Liebe nicht. „Wo ist denn Gott?“ „Bei so viel Hass auf der Welt, ist kein Platz für die Liebe!“ Wer kennt nicht solche Äußerungen! Und trotzdem!!
Trotzdem setzen Menschen ihr ganzes Leben auf das eine und das andere.
Wer liebt, vertraut sich mit Herz und Haut einem anderen Menschen an - ohne Beweise oder Garantien: Das ist bei Gott und im Glauben nicht anders. Wer liebt, entdeckt dadurch neue Seiten bei sich selber und bei anderen: Das ist bei Gott und im Glauben genauso. Wer liebt, riskiert Liebeskummer und Enttäuschungen: Manchmal sind auch Gott und der Glauben nur schwer auszuhalten. Ja manchmal gibt es auch ganz große Glaubenskrisen!
Aber wenn Sie es nun trotzdem wagen wollen: den Glauben wie die Liebe: Wo und wie könnten Sie den Glaubens-Flirt dann beginnen? Natürlich jeden Sonntag in der Kirche - oder aber auch jetzt sofort. Und zwar zusammen mit dem Menschen, den Sie am meisten lieben. Sagen Sie diesem Menschen einfach: "Gott sei Dank, dass es dich gibt!" Dann haben Sie beides: eine Liebeserklärung und ein Glaubensbekenntnis. Denn der Glaube hat immer etwas mit Gott und den Menschen zu tun.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch viel Liebe und Vertrauen – in Gott und die Menschen und in das eigene Leben.
Ihr/Euer
Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserinnen! Liebe Leser!
Am 6. Sonntag nach Trinitatis gedenken wir in der Evangelischen Kirche unserer Taufe. Dieser Sonntag steht ganz in dem Gedenken, was die Taufe für uns als Christen bedeutet bzw. bedeuten kann. Denn sind wir doch ehrlich, wenn nicht gerade ein Kind getauft wird und wir unmittelbar dabei sind, wann spielt die Tatsache, dass auch wir getauft sind eine Rolle in unserem alltäglichen Leben?
Yoko Ono, die Witwe des Beatles John Lennon, eine etwas exzentrische Künstlerin, hat mal eine Ansichtskarte entworfen, die aus Pappe mit einem Loch darin bestand. Die nannte sie: „A hole to see the sky through“. „Eine Öffnung, durch die ich den Himmel sehen kann.”
Natürlich könnte man auch an der Karte vorbei in den Himmel sehen, weitaus unbegrenzter sogar. Aber Yoko Ono hat wohl in ihrem Umfeld viele Menschen wahrgenommen, die keinen Blick mehr für den Himmel hatten. Den Himmel sehen zu können, das ist ja auch viel zu selbstverständlich, als dass wir es als was Besonders empfinden. Erst wenn uns der Himmel in einem kleinen Ausschnitt, und sei es nur durch ein Stück Pappe, neu bewusst gemacht wird, dann nehmen wir ihn wieder neu wahr.
Eigentlich geht es uns doch ähnlich mit dem, was wir Gottes Himmel nennen.
Das Evangelium, die Botschaft von Gottes Liebe, ist für uns Evangelisch-Lutherische des 21. Jahrhunderts nicht mehr das Besondere, was es für unseren Namensgeber Martin Luther war. Erst wenn wir vor einer besonderen Situation stehen, die ein Stoßgebet gen Himmel erforderlich macht, dann wird unser Glaube, unser Gott plötzlich wieder ganz konkret.
Eine Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes darf man mit Fug und Recht ein ganz besonderes Ereignis nennen. Denn da spüren wir ganz elementar, wie wenig wir eigentlich zum Wunder dieses Lebens selbst beitragen können. Jedes neue Ultraschallbild wird ein Grund zum Staunen über das Wunder des Lebens. Und wenn das Wunder dann Gestalt angenommen hat, dann ist das ein unvergesslicher Moment im Leben. Ein Moment, den man eigentlich nicht vergisst…
Am 6. Sonntag n. Trinitatis gedenken wir ein Stück weit dieses Momentes und danken unserem Gott für diesen unvergesslichen Moment, für das Leben, das Er und geschenkt hat. Wir denken daran, wie uns einst unsere Eltern oder wir als Eltern, dieses neue Leben Gott anvertraut haben mit dem ganzen Lebensweg, den wir gar nicht überblicken können. Sich oder das Kind Gott anvertrauen… Vertrauen haben in das Leben, das Gott geschenkt hat und in seinen Händen hält… VERTRAUEN! Ein Symbol dafür, sind die Taufsprüche, die wir den Kindern mit auf den Weg geben. Worte aus der Bibel, weil es Worte von Gott sind, zugesprochen für das Leben, das vor einem liegt. Ein Wort, was oft gewünscht wird: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ Engel, das ist sozusagen das Bodenpersonal, die Erdencrew unseres Gottes. Ob mit oder ohne Flügel, ob unbegreifbar oder ganz menschlich – sie sind für uns das „hole to see the sky through“, sie eröffnen uns die neue Sicht auf unser Leben, nämlich die von Gottes Blickwinkel aus. Und da nehmen wir plötzlich staunend wahr, was uns vorher ganz selbstverständlich erschien: Wir dürfen leben hier auf dieser Erde.
Dass dieses Leben nicht frei ist von dunklen Tälern, Zeiten der Anfechtung, Trauer und Verlust, Sorgen und Nöten, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber in all dem, das ist die Zusage Gottes in der Taufe an uns, bleiben wir in Gottes Händen geborgen. Und das spiegelt sich für mich in der Aussage Jesu wieder, nach dem er seinen Jüngern den Auftrag zur Taufe gibt (Matthäus 28, 16-20): „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Gibt es etwas Tröstlicheres?
Schauen sie doch einmal in ihren Unterlagen nach und entdecken vielleicht ihren alten Taufspruch!
Herzlichst Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserinnen! Liebe Leser!
GLAUBEN IST WIE IN DER SONNE LIEGEN
Ja, ich denke, dieses Gleichnis passt: Glauben ist wie in der Sonne liegen.
Stellen Sie sich das doch mal vor - oder probieren es möglichst bald aus: In der Sonne liegen. Ganz bequem und ganz entspannt. Die Augen schließen. Die Wärme auf der Haut spüren und wohlig in sich aufnehmen. Was für ein Wunder: auf meiner Haut die Strahlen eines Sterns aus dem Weltall. Und danach fühle ich diese wohlige Wärme noch lange in mir.
Sie wollen wissen, was das denn nun mit dem Glauben zu tun hat? Dann machen Sie doch mal die Augen auf und versuchen in die Sonne zu gucken. Was würden Sie sehen? Was sehen Sie da? Nichts!
Können Sie überhaupt irgendwas erkennen? Nein, denn wir können die Sonne nicht sehen. Die Sonne scheint viel zu hell für unsere Augen. Was nicht bedeutet, dass die Sonne nicht da wäre. Natürlich ist die Sonne da; eigentlich ist die Sonne sogar unübersehbar - und trotzdem können wir sie nicht erkennen. Unsere Augen tun weh, wenn wir es trotzdem versuchen.
So ist das mit Gott und dem Glauben auch. An Gott glauben ist wie in der Sonne liegen und Gott spüren, ohne Gott sehen zu können. Denn ich muss eben passen, wenn man mich auffordert: "Zeig mir deinen Gott!" Zeigen kann ich nur die Spuren und Strahlen Gottes in der Welt - wie ich auch meine gebräunte Haut oder eben den Sonnenbrand zeigen kann.
Zugegeben - manchmal kann man die Sonne ja doch sehen: beim Sonnenuntergang abends im romantischen Abendrot oder früh morgens, wenn ein neuer Tag anfängt. Aber offensichtlich muss es immer ein bisschen dunkel sein, damit wir die Sonne sehen können. Wahrscheinlich ist auch das bei Gott und im Glauben ganz genauso: Wenn unser Leben dunkel wird, fragen wir nach Gott. Wenn unsere Lage sich verdüstert, suchen wir Gott. Vielleicht ist nur dann ja auch wirklich deutlich zu erkennen, wo die Kraft unseres Lebens eigentlich herkommt.
Diese Gedanken von Helmut Siebert, haben mich sehr zum Nachdenken angeregt. Sind es doch auch Erfahrungen, die Sie und ich immer wieder machen. Das erfahre ich bei meinen Besuchen, wo mir Menschen, gerade an ihrem Geburtstag, oder wenn sie Abschied nehmen müssen, erzählen. Wie Gott sie getragen hat, wo Gott auch manchmal schwer zu verstehen war.
Ich wünsche Ihnen, für die neue Woche, viel Sonne! Sonne auf der Haut! Aber vor allem viel Sonne in den Herzen und Seelen.
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Kennen Sie den spanischen Kurzfilm "Am seidenen Faden"? Das geht es um einen Bergsteiger der mitten im Winter, in der unendlichen Einsamkeit der Sierra Nevada, eine gefährliche Steilwand erklimmen will. Großen Anstrengungen ausgesetzt erreicht er fast sein Ziel, doch dann stürzt er ab... Aber das Sicherungsseil fängt ihn auf. Völlig alleine und hilflos hängt er nun am Seil, umgeben von der Dunkelheit der Nacht. Er beginnt zu beten, bittet Gott, dass er ihn doch retten möge. Da spricht Gott plötzlich zu ihm: "Glaubst du wirklich, ich hätte die Macht, dich zu retten? Dann kapp das Seil!" Der Glaube des Bergsteigers ist dann doch nicht so groß, er tut es nicht. Am nächsten Morgen findet man ihn erfroren im Seil hängend. Die Stimme des Radiosprechers verkündet: "Überraschenderweise hing der Mann nur einen Meter über dem Boden. Es bleibt ein Rätsel, warum der Bergsteiger nicht das Seil durchschnitten hat, um der Kälte zu entfliehen..."
Ein Sinnbild unseres Lebens! Wie oft fällt uns Vertrauen zu wagen schwer. Da gibt es so vieles, was uns unsicher werden lässt, obwohl wir schon so viel Gutes erfahren haben. Krieg und Terror, Naturkatastrophen... Da wächst unser Bedürfnis nach Sicherheit. Wir wollen unwägbares absichern und es gibt ja für fast alles eine Versicherung. Und doch: Wir bekommen unser Leben nicht wirklich in den Griff! Wer kennt nicht das alte Sprichwort: "Vertrauen ist gut! Kontrolle ist besser!" Und doch geht es in unserem Leben nicht ohne Vertrauen! Das bestätigt auch die Psychologie. Der Bergsteiger sagt zwar durch sein Gebet zu Gott, dass er Gott die Rettung zutraut, aber irgendetwas in ihm setzt den Kontrollmechanismus vor das Vertrauen. Und so scheitert er! Der tragische Ausgang dieser Geschichte erinnert mich an ein Wort Jesu: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren" (Matthäus 10,39). Jesus lädt uns hier ein, an einen Gott zu glauben, der wie ein Vater für uns ist, in dessen Arme wir uns werfen dürfen, wie ein Kind, das seinen Eltern bedingungslos vertraut. Nur wo wir lernen (wieder) solches Vertrauen zu leben, zu wagen, können wir erfahren, dass Gott uns wirklich trägt. So wie wir beim Laufen lernen auf unsere Eltern vertrauten, so ist das auch mit unserem Vertrauen zu Gott. Doch leider denken wir Menschen oft umgekehrt: "Wenn ich wüsste, dass.., ja dann würde ich es wagen." Doch Gottes Pädagogik ist eine andere: "Lass dich auf mich ein, und du wirst es erfahren!" So wie Jesus auch Thomas eingeladen hat, nicht zu zweifeln, sondern zu glauben... Gegen allem Anschein!
Das bedeutet nicht, das mir in meinem Leben Rückschläge oder gar dunkle Täler erspart bleiben. Aber ich darf gleich wie der Beter des 23. Psalms darauf vertrauen, dass Gott mich begleitet und hält. So wie es auch Hans Georg Bertram in seinem Lied schreibt: "Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt. Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod doch ein in Gottes Gnade trotz aller unsrer Not. Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit."
Ihr/ Euer Pfarrer Thomas Abel
Liebe Leserin, lieber Leser!
Mehr als vier Wochen saßen wir auf dem Trockenen... Kein Fernsehen, kein Internet... Auf der einen Seite mal ganz schön, aber irgendwann nervte es, vor allem, wenn die Geduld der Tochter nach vier Wochen so langsam nachlässt. Aber in der Zwischenzeit hatte ich einiges unternommen, um die Technik in Gang zu bringen. Da gab es auch so manche Telefonate. "Was brauchen sie denn? Ich könnte Ihnen verschiedene Angebote machen. Wie viel Datenvolumen brauchen sie, wieviel Gigabyte, MB, LTE, Magenta 1 oder doch Small 2...". Irgendwann hatte ich die Faxen dick! " Ich verstehe nur noch Bahnhof!" Ich denke, oft geht es vielen von uns so. Fachausdrücke in Medizin und Technik, die nur Fachleute verstehen. Auf der einen Seite sinnvoll, aber problematisch, wenn Fachleute mit einem Laien so reden, vielleicht sogar absichtlich, um ihn zu verwirren... Das selbe gilt aber auch für die Sprache der Politik, oder in der Wirtschaft. "Der Bereich muss sich einer "Verschlankung" unterziehen". Für den Laien: Entlassungen sind angesagt." Oder: "Der Mitarbeiter war stets bemüht..."! Mit anderen Worten: Er hätte mehr leisten können... "Null Wachstum, Entsorgungspark..." "Ich verstehe nur noch Bahnhof!" Sprache dient nicht mehr zur Verständigung, sondern wohl eher dazu, die wahren Absichten oder die eigene Ratlosigkeit zu verbergen.
Die Pfingstgeschichte in der Bibel erzählt davon, dass eine der wichtigsten Wirkungen des Geistes Gottes die ist, dass alle das Reden der Apostel verstehen, die Sprache wieder das ist, was sie in aller erster Linie sein sollte, ein Mittel zur Verständigung. Das gelingt auch deswegen, weil Gottes Geist, ein Geist der Liebe und des Trostes ist. Denn dass sich Menschen nicht mehr verstehen, obwohl sie die gleiche und eine verständliche Sprache sprechen, liegt ja oft daran, dass sie einander nicht mehr lieben oder schätzen, oder die Angst voreinander größer ist, als alles andere... "Ich kann oder will dich nicht verstehen...", das erleben wir immer wieder, sei es in den Familien, am Arbeitsplatz oder in der Gemeinde. Zu unterschiedlich sind unsere Auffassungen, über das Leben und den Glauben. Was aber den Glauben betrifft, hier ist Gottes Geist gefragt. Der Geist, den Jesus seinen Jüngern versprochen hat. Den Geist der Liebe und des Trostes. Zu Pfingsten feiern wir dieses Geschenk, das Jesus uns gemacht hat. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dies in ihren Gemeinden erleben: Dass Sie verstehen und dass Sie verstanden werden, dass Sie mutig nachfragen, wenn Sie etwas nicht verstehen, und geduldig zuhören, wenn Sie jemanden erst einmal nicht verstehen. Und das gilt gerade auch für unsere Gemeinden, egal welcher Konfession sie angehören. Den der Geist Gottes, kennt keine konfessionellen Grenzen. Und das habe ich in den zurückliegenden Wochen erfahren dürfen und bin dankbar, für das brüderliche und schwesterliche Zusammenleben mit unseren katholischen Geschwistern. So wünsche ich uns allen den Geist Gottes, der unser Zusammenleben lebendig erhält. Ein gesegnetes Pfingstfest, im Geiste der Ökumene wünscht Ihnen und Euch Ihr Pfarrer Thomas Abel.
Meine lieben Gemeindeglieder, liebe mitlesenden Bürgerinnen und Bürger in Kleinostheim, Mainaschaff und Stockstadt,
ein letztes Mal darf ich als Pfarrerin von St. Markus an dieser Stelle ein Wort an Sie und Euch richten. Diesmal sind es Abschiedsworte. Mein Umzug nach Schweinheim und der Wechsel auf die 1. Pfarrstelle der Matthäusgemeinde in Aschaffenburg stehen kurz bevor. Im Mainaschaffer Pfarrhaus bin ich bereits am Entrümpeln und gelegentlich packe ich eine Umzugskiste. Am kommenden Sonntag, den 8. Mai, werde ich um 14.30 Uhr im Ev. Gemeindezentrum im Mainaschaff verabschiedet. Im Anschluss findet ein Empfang statt. Dazu sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Ich freue mich, Sie und Euch am Sonntag persönlich zu sehen. Danke sage ich schon jetzt für die Kuchenspenden, die ich mir für meinen Abschied gewünscht habe.
Auch innerlich bin ich schon länger dabei, Dinge zu ordnen und abzuschließen. Manches in der Gemeinde ist nun vorüber, all die Passions- und Ostergottesdienste, die Konfirmationen und die Konfirmandenarbeit sowie die meisten Planungen für die Zeit nach meinem Abschied. Manches muss noch getan werden, damit ich dann beruhigt gehen und loslassen kann.
Ich bin froh, dass Pfarrer Abel rechtzeitig vor meinem Abschied gekommen ist, dass er jetzt im Pfarrhaus in Kleinostheim wohnt und die Pfarramtsführung übernommen hat. Er wird die Markusgemeinde als Pfarrer betreuen und die Vakanzvertretung für Mainaschaff übernehmen. Natürlich - und das ist bei jeder Vakanz so - kann er nicht alle Aufgaben übernehmen, die vorher von zwei Pfarrern bewältigt wurden. Frau Wiegand bleibt zum Glück in bewährter Weise im Pfarramt tätig. Natürlich sind die Kirchenvorsteher, die die Gemeinde leiten, ebenfalls weiter in Amt und Würden und damit in der Verantwortung. Auch die Mitarbeitenden bleiben der Gemeinde erhalten. Deshalb gibt es einen alten Spruch, der wahr ist: Pfarrer kommen und gehen (Pfarrerinnen gleichermaßen), aber die Gemeinde bleibt. Und unser großes Gemeindezentrum bleibt auch - ein Ort für vielfältige Möglichkeiten und Begegnungen, angefangen bei den Gottesdiensten über Kreise, Konfirmandenunterricht, Sprachkurse für Flüchtlinge und vieles andere mehr.
Ich habe einen letzten Wunsch: Bleiben Sie als Mitarbeitende, Gemeindeglieder und Freunde der Gemeinde Ihrer Kirche so treu wie in all den Jahren, die ich hier mit Euch und Ihnen zusammen arbeiten, glauben, feiern und leben durfte. Mit Gottes Kraft und im Vertrauen auf seine Führung und Begleitung wird die Gemeinde die Zeit der Vakanz in Mainaschaff unbeschadet überstehen; da bin ich zuversichtlich. Und irgendwann - frühestens ab 1.12. - wird eine neue Pfarrerin oder ein neuer Pfarrer kommen und mit frischem Wind den Dienst in Mainaschaff beginnen.
Ich danke Ihnen und Euch von Herzen für das große Vertrauen, das ich hier erfahren habe, für das gute Miteinander hier in "meinem" Ort mit den Menschen aus St. Margaretha, Politischer Gemeinde, Schule, Kindergärten und Vereinen, für die vielfältige freundliche und konstruktive Zusammenarbeit (auch im zurückliegenden Jahr während der Vakanzvertretung in Stockstadt und Kleinostheim), für unzählige schöne Begegnungen und wohlwollende Worte, für so viel praktische und geistliche Unterstützung in all den Jahren. All diese wunderbaren Erfahrungen aus 14 Jahren in Mainaschaff werde ich, wenn ich jetzt weiterziehe, mitnehmen und dankbar bewahren.
Gott befohlen und auf Wiedersehen!
Mit herzlichen Grüßen
Ihre / Eure Birgit Niehaus, Pfarrerin
Der kommende Sonntag trägt den Namen "Rogate". Das heißt: "Betet". Das erinnert mich immer wieder an die Frage, die ich gerne meinen Konfirmanden stelle, wo und wann sie beten. "In der Kirche!", ist die häufigste Antwort, doch beim Nachfragen, wo noch, werden die Antworten weniger. Das Gebet in der Familie, vor den Mahlzeiten, hat kaum noch Bedeutung, ist wohl in Vergessenheit geraten... Oder ich persönlich denke immer noch daran, wie meine Eltern mit uns, bevor wir das Haus verließen, um in die Schule zu gehen, ein Gebet sprachen. Und dies tue ich bis heute, auch mit unserer Tochter. "Beten, das ist doch nur etwas für kleine Kinder und alte Leute!" Diesen Satz habe ich schon oft gehört. Oder: "Wie oft habe ich schon gebetet und Gott hat nicht geantwortet!" Beten, was ist das? Beten, was kann das sein? Manchmal ist es leichter zu sagen, was es nicht ist. Und so sollte Beten nicht sein, wie es eine kleine Geschichte erzählt: Zwei Lastkutscher kamen mit vollgeladenen Karren einher. Die Wege waren verschlammt, und beide Karren fuhren sich fest. Einer der beiden Kutscher war Fromm. Er fiel dort im Schlamm auf die Knie und begann, Gott zu bitten, er möge ihm helfen. Er betete, betete, betete ohne Unterlass und betrachtete dabei den Himmel.
Währenddessen fluchte der andere, arbeitete aber. Er suchte sich Zweige, Blätter und Erde zusammen. Er schlug auf den Esel ein. Er schob am Karren. Er schimpfte, was das Zeug hielt. Und da geschah das Wunder. Aus der Höhe stieg ein Engel nieder. Zur Überraschung der beiden Kutscher kommt er jedoch demjenigen zur Hilfe, der geflucht hat. Der arme Mann wird ganz verwirrt und ruft aus: "Entschuldige, das muss ein Irrtum sein. Sicher gilt die Hilfe dem anderen." Aber der Engel sagte: "Nein, sie gilt dir. Gott hilft dem, der arbeitet."
Beten soll und kann das Handeln nicht ersetzen. Beten soll auch nicht aus der vorschnellen Resignation erfolgen. Beten soll nicht ein Herausreden sein aus der Verantwortung für die Welt! Beten und Handeln, wir können es nicht gegeneinander ausspielen. Ein alte Regel der Benediktiner lautet: "Ora et labora", "Bete und Arbeite!" Beides gehört zusammen und beides sollte seinen Platz in unserem Leben haben! Beten schenkt Kraft und Ruhe, neue Erkenntnis und ein Geborgen sein in Gott. Und das wiederum schenkt Kraft zum tätigen Handeln. Und das wiederum kann vieles bewegen und verändern, im großen wie im kleinen. Wie sagte eine Stasioffizier im Herbst 1989: "Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten!"
Wer betet, gibt seine Träume nicht auf und auch nicht die Welt, in der er lebt. Beten, was für ein Schatz, den wir haben und den wir unseren Kindern weitergeben sollten.
Ihnen und euch allen ein gesegnetes Wochenende und eine neue Woche!
Ihr/Euer Pfarrer Thomas Abel
Als Anfang April die Informationen zu den "Panama Papers" und das Ausmaß der Geschäfte um die Kanzlei Mossack Fonseca mit den unzähligen Briefkastenfirmen ans Licht der Öffentlichkeit kamen, war der Aufschrei groß. Nun, wenige Tage und Wochen später, wird es ruhiger um diese Nachricht. Kenner der Finanzszene waren ohnehin nicht sonderlich überrascht und wussten schon lange, dass viele Firmen und Personen Briefkastenfirmen im Ausland nutzen, um Gelder unsichtbar zu machen, um Steuern zu sparen oder auch zu hinterziehen. Manches davon ist sicher strafbar, anderes nicht; deshalb sprich man von "Grauzonen", in denen vieles möglich ist. Man kommt in dieser Sache mit juristischen Argumenten allein nicht weit. Es ist eben, das spüren viele, eine Frage der Moral und Ethik, wie wir mit Geld umgehen. In unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft ist es bis in die höchsten Chefetagen salonfähig geworden, Steuern zu sparen, sie auch zu hinterziehen und den eigenen Vorteil bis zum Äußersten auszureizen. Das gibt es aber nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen. Der einzelne Arbeitnehmer kann sich zwar den staatlichen Steuern kaum entziehen, aber auch im Kleinen wird gespart und getrickst, was das Zeug hält. Manche Steuerberater ziehen durch die Lande und ermutigen Kirchenmitglieder, aus der Kirche auszutreten, um wenigstens die Kirchensteuern zu sparen und das Geld für sich zu behalten. Andere arbeiten schwarz oder bezahlen Schwarzarbeit, um an dieser Stelle Geld einzusparen und dem Staat vorzuenthalten. Neulich ist mir in einer ordentlichen Firma angeboten worden, ich könne auch einfach "bar" bezahlen, dann werde es billiger. Mir ist erst später aufgegangen, was damit gemeint war: ohne Rechnung und ohne Steuern. Das war eine Aufforderung zum Steuerbetrug. Als ich das verstanden hatte, habe ich dem Chef ziemlich klar meine Meinung gesagt: dass er genauso wie ich Steuern zahlen müsse und alles andere Betrug sei. Wo kommen wir hin, wenn alle, die zahlen können, weil sie verdienen und leistungsfähig sind, sich verweigern und herumtricksen? Dann haben wir irgendwann einen armen, schwachen und maroden Staat, der seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen kann, nämlich für Soziales, Bildung, Kultur, Straßen, Sicherheit und vieles andere zu sorgen, Dinge, von denen wir selber täglich profitieren. Entsprechend gilt das auch für die Kirchen und ihre vielfältigen Aufgaben, die auch nur mit Kirchensteuern zu stemmen sind. Wir leben hier in Deutschland in einem funktionierenden Sozialstaat, auf den Menschen weltweit mit Respekt schauen. Aber diesen Staat gibt es nicht zum Nulltarif, sondern nur, wenn Menschen und Firmen ordentlich ihre Steuern zahlen. Wir könnten sogar stolz darauf sein, dieses attraktive Land mit unserer Kraft und unseren Geldern zu unterstützen statt immerzu auf Steuern zu schimpfen und so zu tun, als seien sie ein unnötiges Übel. In der Bibel heißt es aus Jesu Mund: "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" Schon damals wunderten sich manche seiner Zuhörer über diese eindeutige Antwort Jesu, die Steuern für den Staat nicht hinterfragt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
GLAUBEN IST WIE LAUFEN
Diese Worte kamen mir in den Sinn, als ich am letzten Sonntag den Konfirmationsgottesdienst in Stockstadt besuchte. Drei junge Mädchen wurden hier konfirmiert. Konfirmation, die persönliche Bestätigung der eigenen Taufe. Nach dem einjährigen Unterricht, nun der Weg in das eigene Glaubensleben, d.h. eigne Entscheidungen treffen, was den Glauben angeht. Da stellt sich gleich zu Beginn die Frage: „Wie wird es weitergehen, mit mir und meinem Glauben, meiner Kirchengemeinde?“ Wird es ein hineinkonfirmieren in die Gemeinde, oder ein herauskonfirmieren? Laufen lernen im Glauben, nun nicht mehr an der Hand der Eltern oder Paten, sondern eigenständig! Und Glauben ist wie Laufen!
Helmut Siebert hat darüber etwas sehr Schönes geschrieben:
„Ja, ich denke, dieses Gleichnis passt: Glauben ist wie Laufen.
Das fängt schon ganz früh an. Beides lernt man als Kind - wobei nicht ganz klar ist, wie man es eigentlich lernt: ein bisschen wohl durch abgucken und mithilfe von Erwachsenen, aber noch mehr im Spiel und am meisten durch eigenes Ausprobieren. Das Lerntempo ist unterschiedlich: bei manchen geht es schnell und einfach, bei anderen nur mühsam Schritt für Schritt und mit vielen Stürzen. Aber irgendwann geht es eben, und dann folgt Schritt auf Schritt. Und was man als Kind gelernt hat, bleibt ein Leben lang. Auch wenn man später nicht mehr dran denkt und es eigentlich egal findet und vielleicht auch nicht mehr wichtig oder sogar lästig und unbequem.
Obwohl manche sich ja ein Hobby daraus machen - wenn man das denn Hobby nennen kann. Jedenfalls sind sie an fast allen Wochenenden damit zugange und manche zusätzlich auch noch jeden Morgen oder Abend. Sozusagen heilige Trainingszeit ist meistens der Sonntagvormittag. Da treffen sich Gleichgesinnte mit oder auch ohne Trainer und versuchen, immer weiterzukommen. Natürlich gibt es dabei immer wieder Zuschauer, die dabei-stehen und über so viel Eifer nur den Kopf schütteln. Wer eben den Kick nicht kennt, kann den Spaß kaum verstehen. Obwohl jeder und jede es irgendwann selbst noch mal probiert: einige allerdings erst dann, wenn es kaum noch geht oder nur noch schwer: weil Krankheit oder Unfall dazwischenkamen oder einfach das Alter. Dann muss man oft noch einmal mühsam lernen - wie damals als Kind: laufen lernen und glauben lernen. Aber möglichst lässt man es nicht so weit kommen, sondern übt es regelmäßig: das Laufen und den Glauben. Denn Training hilft beim Laufen fast genauso wie im Glauben. Denken Sie beim nächsten Jogging mal darüber nach!“
In diesem Sinne wünsche ich allen Mädchen und Jungen, die in diesen Wochen zur Konfirmation gehen, viel Ausdauer im Glauben. Geht und lauft euren Lebensweg, aber lauft ihn mit Gott an der Seite! Dann kann es gelingen: das Leben, mit all seinen Seiten! Und denkt an die Trainingseinheiten, sprich dem Gottesdienst, hier bekommt ihr Kraft und Zuspruch und neue Energie für das Laufen im Glauben! In diesem Sinne!
Ihr/Euer
Pfarrer Thomas Abel
Wir leben nach Ostern. Wir könnten froh und befreit sein. Aber das, was vor Ostern passiert ist, die schrecklichen Ereignisse der Passion Jesu, die lassen sich nicht locker abstreifen. All das vergangene Schäbige haftet schwer an uns wie die sichtbaren Wundmale an Jesus. Die Leidensgeschichte Jesu ist hochdramatisch. Sie liest sich wie ein Krimi und gibt Stoff für unzählige Passionsspiele. Nichts Düsteres ist dieser Geschichte fremd. Sie kennt sich aus mit niederen menschlichen Trieben, Motiven und Handlungsweisen: Neid und Missgunst, Duckmäuseei und Wichtigtuerei, Verrat und Verleugnung, List und Lüge, Spott und Hohn, Feigheit und Folter, Mord und Tod. Wird man am Ende die Mörder überführen und zur Rechenschaft ziehen - wie in jedem guten Krimi? Oder kommen die Täter ungeschoren davon? Werden die Drahtzieher und Mitläufer gefasst und zur Rede gestellt oder sagt man lapidar: Schwamm drüber? Wird es Gerechtigkeit geben und Genugtuung? Oder triumphiert der Täter weiterhin über sein Opfer? Werden die Bösen am Ende verurteilt, unschädlich gemacht und weggesperrt, wie man sich das als Krimileser erhofft, oder werden die Bösewichte gar befördert und auf den Thron gehoben, wie so oft im Leben?
Jeder, der in eine ungerechte Sache hineingerät, jeder, der Opfer von Gewalt und bösen Machenschaften wird, so wie Jesus, stellt sich solche Fragen. Egal, ob es ein einzelnes Schicksal ist, ob jemand zu Unrecht verfolgt, angeklagt oder verleumdet wird oder ob Ungerechtigkeiten ganze Völker betreffen wie die Gräueltaten der IS. Die Hauptfrage in allem bewegt die Menschen: Wird es am Ende Gerechtigkeit geben? Oder werden die Täter siegen und dem Opfer weiterhin höhnisch ins Gesicht grinsen? Ja, wird es Gerechtigkeit geben?
Jesus, der verratene, der verleugnete, er verspottete, der geschundene und getötete unschuldige Mensch, muss durch viele Dunkelheiten hindurch. Nichts wird ihm erspart. Nicht Neid und Missgunst, Duckmäuseei und Wichtigtuerei, Verrat und Verleugnung, List und Lüge, Spott und Hohn, Feigheit und Folter, Mord und Tod. Mitten am Tag wird es Nacht, als Jesus stirbt, berichtet die Bibel. Das ist die dunkelste Stunde der Weltgeschichte. Man könnte meinen, das Böse habe gesiegt - selbst über Gott - und die mächtigen Bösen würden triumphieren. Die Erde könnte aufhören sich zu drehen bei so viel Leid und Unrecht. Doch das gibt die Dramaturgie dieser Geschichte nicht her. Denn sie ist noch nicht zu Ende, weil der Tod diesmal nur vorläufig das Ende markiert.
Ostern geht sie weiter, diese unglaubliche Geschichte, die das Christentum begründet hat und bis heute am Leben erhält. Nach zwei Tagen in Angst, Dunkelheit, Hölle und Tod kommt nicht der Abgrund das Ende der Welt. Keiner hat das nach dem düsteren Ende auf Golgatha für möglich gehalten: Dass der, der klein und zum Spott vor aller Welt gemacht wurde, wieder groß wird. Dass der, der geschmäht wurde, ins Recht gesetzt wird. Dass der, der die Wundmale trägt, vergibt und segnet. Dass der, der getötet wurde, leben darf. Dass der, der ohne Chance schien, seine große Chance bekommt. Die auch unsere Chance ist, wenn wir sie ergreifen.
Wird man am Ende die Mörder überführen und zur Rechenschaft ziehen - wie in jedem guten Krimi? Die Mörder und ihre Helfershelfer werden in der Passionsgeschichte beim Namen genannt. Der die Hände in Unschuld wusch und doch schuldig wurde, dessen Namen kennt die Weltgeschichte. Kommen die Täter ungeschoren davon? Werden die Drahtzieher und Mitläufer gefasst? Wir kennen manche mit Namen und auch die namenlose Masse. Was sie getan haben, wiegt schwer. Aber das Großartige am Ende dieser Kriminalgeschichte ist: Der lebendige Jesus zieht nicht als Rächer durch die Lande. Er kommt als der, der vergibt und neues Leben ermöglicht. Er verneint Neid und Missgunst, Duckmäuseei und Wichtigtuerei, Verrat und Verleugnung, List und Lüge, Spott und Hohn, Feigheit und Folter, Mord und Tod, aber nicht die Menschen, die sich dem Bösen hingegeben haben. Jesus will eine andere Hingabe, eine, die Gott gilt und der Liebe. Schuldige werden nicht weggesperrt, sondern freigesetzt zu einem neuen Leben. An Ostern triumphiert Gott in seinem lebendigen Sohn - und alle Welt mit ihm. Wer an Jesu Auferstehung glaubt, hofft auch heute auf einen starken Gott, der mächtiger ist als die Ungerechtigkeiten unserer Zeit. Dieser Gott macht Unmögliches möglich. Er sorgt dafür, dass Ostern das letzte Wort hat, trotz aller Wundmale, die wir und die Erde tragen. Er ermöglicht, dass wir froh und befreit leben können.
Mit österlichen Grüßen - der HERR ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
GLAUBEN IST WIE ATMEN
So habe ich es bei Helmut Siebert gelesen und ich denke, das passt. Gerade nach den letzten Tagen vor Ostern, mit den schrecklichen Ereignissen in Brüssel. Da stockt einem der Atem, aber man muss ja weiter atmen, weiterleben, trotz aller Ängste… Und da kommt der Glaube ins Spiel, denn ohne Glauben, würde ich verzweifeln. Helmut Siebert schreibt weiter dazu:
„Glauben ist wie Atmen. Das können Sie auch sofort und selber merken - oder eben auch nicht. Denn meistens merkt man von beidem nichts. Beides geschieht unbewusst, obwohl es eigentlich lebenswichtig ist: Aber wenn Sie jetzt genau darauf achten, merken Sie vielleicht doch was! Denn das ist mit dem Atmen ja genauso wie mit dem Glauben: Natürlich glauben Sie, auch wenn Sie es nicht immer ganz bewusst tun. Wie Sie auch immer weiteratmen, ohne darüber nachzudenken.
Wobei Ausnahmen auch diese Regel bestätigen. Denn es gibt ein paar Momente, wo man beides dann doch sehr genau spürt: den Atem genau so wie den Glauben. Das fängt schon ganz früh an: schon beim allerersten Atemzug. Als ich die Geburt meiner Kinder miterlebte und deren erste Atemzüge, da habe ich auch etwas von Gott gespürt: Ich war froh und dankbar über dieses Wunder, Leben geschenkt zu bekommen.
Beim letzten Atemzug ist es genauso: Wer jemals dabei war, wie ein Mensch stirbt und seinen Atem aushaucht, hat auch dabei etwas von Gott gespürt. Übrigens werden wir diesen letzten Atemzug alle auch einmal selber tun.
Aber davor wird es wohl noch ein paar andere Situationen geben, in denen wir erstaunt die Luft anhalten - voller Angst oder voller Freude. Und in denen wir laut aufstöhnen unter der Last des Lebens oder voller Lust. Situationen, in denen wir nach Luft schnappen, weil wir kaum glauben können, was wir da erleben müssen oder erleben dürfen. Wer in solchen Situationen nicht nur auf die Sauerstoffzufuhr achtet, kann sich vom Atem zeigen lassen, was im Leben wirklich wichtig ist. Denn nichts im Leben ist so ehrlich und so intim wie der Atem: Das gilt für den eigenen Atem wie für den eines anderen Menschen. Kaum etwas ist so unkontrollierbar wie das Ein- und Ausatmen. In der Bibel ist der Atem sogar ein Zeichen für den Geist Gottes. Glauben ist wie Atmen - also holen Sie einmal tief Luft für die neue Woche!“
Dem gibt es nichts hinzu zu fügen. In diesem Sinne, trotz allem, und vor allem wegen Ostern, einen guten und ruhigen Atem, denn der lässt uns entspannen und wirklich leben.
Ihr Pfarrer Thomas Abel
Glaube ist Ansichtssache!
Na klar, was denn sonst? Natürlich ist Glauben Ansichtssache - und zwar wortwörtlich An-sichts-sache. Da geht es also nicht um Dinge oder Meinungen, die man irgendwo schon mal gelesen oder gehört hat. Sondern Glauben ist Ansichtssache, weil man selber hingucken muss. Und zwar genau hingucken, um ja nichts zu verpassen von dem, was man sehen und erkennen und begreifen kann - und dann vielleicht eben auch glauben kann. Ich selbst bin gespannt, was ich in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren an neuen Glaubensansichten in meiner neuen Gemeinde entdecken kann.
Also: Welche eigenen Ansichten haben Sie von Gott und dem Glauben? Was haben Sie selber da schon mal gesehen und erfahren? Ich erinnere mich an die Augenblicke, als ich nach der Geburt meine Kinder zum ersten Mal auf dem Arm hatte: So klein und weich waren die, aber nun begann ihr Leben. Vor gut zwei Wochen stand ich am Sterbebett meiner Schwester und habe sie begleitet, ihr den Schweiß von der Stirn gewischt und nach ihrem letzten Atemzug ihre Hände gefaltet. In diesem Augenblick habe ich etwas von der Weite des Lebens gefühlt, das man sonst meistens übersieht. Aber Geburt und Tod sind nicht die einzigen Gelegenheiten, um Ansichten über den Glauben zu gewinnen. Vielleicht gab es in Ihrem Leben schon viele andere Situationen, in denen Sie ganz spontan "Gott sei Dank" gesagt haben. Vielleicht passiert Ihnen das auch heute wieder. Dann sehen Sie in so einer Situation doch einmal genau hin, warum Sie denn da gerade "Gott sei Dank" gesagt oder gedacht haben. Da muss doch etwas gewesen sein, das mitten im Alltag mit Gott zu tun hatte. Meistens sieht man das nicht auf den ersten Blick, sondern erst bei genauerem Hinsehen und Nachdenken. Vielleicht können die Karwoche und das Osterfest unseren Glauben neue Türen öffnen.
Natürlich: Glauben ist Ansichtssache. Weder Lebensanfang noch Lebensende sind Beweise für Gott. Und all die schönen und schlimmen Erfahrungen dazwischen auch nicht. Glauben ist Ansichtssache: nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Also gucken Sie genau hin! Und übrigens: Nach dem Tod gibt es noch mal neue Ansichten und Aussichten. (unter Verwendung von: „Glaube ist Ansichtssache von Helmut Siebert)
Ich wünsche ihnen allen eine gesegnete Karwoche und ein fröhliches Osterfest!
Ihr Pfarrer Thomas Abel
Ein Land steht unter Schock, weil eine neue Partei, die AfD, am vergangenen Sonntag plötzlich in allen zu wählenden Landtagen in Baden-Würtemberg, in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz zweistellige Ergebnisse bekommen hat und sich dadurch die politische Landschaft in Deutschland verändert. Manche allerdings raten auch zur Gelassenheit und sehen, dass durchschnittlich 85% der Bevölkerung "cool" geblieben sind - so eine große Tageszeitung am Montag - und eine der etablierten Parteien gewählt haben. Wir werden uns in Zukunft mit dieser neuen "alternativen" Partei und ihren Wählerinnen und Wählern und deren Motiven für ihre Entscheidung auseinander setzen müssen. Und wir werden aufklären müssen und argumentieren, warum manches von dem, was sie wollen, nicht gerecht, nicht christlich und nicht förderlich für unser Land ist und keine echte Lösung darstellt für manches Problem, das wir momentan haben.
Unser Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm schrieb in der Nacht nach der Wahl Folgendes auf Facebook: "Bei der Bewertung der Ergebnisse der drei Landtagswahlen ist aus meiner Sicht festzuhalten: Die überragende Mehrheit der Deutschen will Schutz suchenden Menschen auch weiterhin Hilfe zukommen lassen. Millionen Deutsche engagieren sich für Flüchtlinge in unserem Land. Darüber sollten die sich abzeichnenden Ergebnisse für eine rechtspopulistische Protestpartei nicht hinwegtäuschen. Die demokratischen Parteien sollten jetzt gemeinsam den Blick nach vorne richten. Eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise, entschlossene Integrationspolitik in Deutschland sowie schnelle Asylverfahren sind das beste Mittel gegen rechtsextreme Stimmungsmache in unserem Land."
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Niehaus, Pfarrerin
Heute, während ich diese Zeilen schreibe, ist der 8. März, also Weltfrauentag. Wir brauchen diesen Tag immer noch, denn die Welt ist, was die Verteilung von Arbeit, Besitz, Macht und Geld auf beide Geschlechter betrifft, überhaupt nicht gerecht. Schon für unser modernes, anscheinend so emanzipiertes Land Deutschland gilt das. Frauen arbeiten mehr, tragen immer noch die Hauptlast in Haushalt und Familie und sind dennoch finanziell schlechter gestellt. Sie verdienen weniger und ihre Renten sind durch Kindererziehungszeiten und Teilzeitarbeit erschreckend niedrig . In Entwicklungsländern ist diese Ungerechtigkeit noch krasser. Heute war das im Main-Echo nachzulesen: "Die Zahlen der Welthungerhilfe sagen alles: Frauen in Entwicklungsländern produzieren bis zu 80% der Nahrungsmittel, ihnen gehört jedoch weniger als 20% der Anbauflächen. Das ist symptomatisch für viele Länder: Frauen sind vielerorts vergleichsweise besitz- und rechtlos. Gleichzeitig aber sind sie es, die für das tägliche Brot sorgen." Und sie sorgen für ihre Kinder, erziehen sie und organisieren den Haushalt, was vielerorts in der Welt immer noch als reine Frauensache gilt.
Es gibt noch viel zu tun für die Frauen, könnte man sagen. Gerechtigkeit ist ein hohes und erstrebenswertes Ziel, auch Gerechtigkeit für die eine Hälfte der Menschheit, für die Frauen. Als Gott Frau und Mann schuf, hat er sie mit gleicher Würde ausgestattet. Beide sind Ebenbild Gottes. Es gibt keinen religiösen Grund, Frauen schlechter zu stellen und ihnen ihre Hälfte vom Kuchen vorzuenthalten. Das mussten wir in der Kirche, die sehr patriarchal geprägt ist, auch mühsam lernen, aber heute gehört das zu unserer Grundüberzeugung. Eine Überzeugung, die schon im Galaterbrief in der Bibel folgendermaßen formuliert wurde: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben."
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Die diesjährige evangelische Fastenaktion "7 Wochen ohne" hat das Motto: Großes Herz, sieben Wochen ohne Enge. In jeder Woche gibt es ein Unterthema, jetzt, in der 2. Woche lautet es: Ich lad euch ein. Im Hintergrund steht die Geschichte von Jesus und dem Zöllner Matthäus. Als Jesus und seine Jünger mit Matthäus an einem Tisch sitzen, kommen weitere Sünder und Zöllner hinzu. Da sitzen sie also alle zusammen, die Verachteten der damaligen Gesellschaft und mittendrin in der Runde Jesus, der Rabbi und Messias. Die Pharisäer nehmen daran Anstoß und fragen die Jünger, warum Jesus so etwas tut. Jesus hört das und gibt selber folgende Antwort: "Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken." Jesu Herz ist weit. Alle sind an seinen Tisch geladen. Nicht nur die religiös oder politisch Korrekten, die Gerechten, sondern insbesondere diejenigen, die schwach sind, die anecken, die als Sünder gelten und von anderen verachtet werden. Um die kümmert sich Jesus besonders, damit sie eine Chance bekommen, von ihren krummen Wegen abzukommen und gesund werden.
Mir hat mal jemand gesagt, als ich über schwierige Kinder in der Schule berichtet habe: "Diese Kinder brauchen ganz besonders Ihre Liebe und Anerkennung." Das geht in die gleiche Richtung. Ein weites Herz zu haben für alle schwierigen und sündigen Menschen, das gehört wesentlich zu unserem christlichen Glauben.
Viel Mut und Erfolg wünsche ich Ihnen dabei, ein weites Herz zu haben!
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Ich komme gerade aus Israel und bin randvoll mit Eindrücken und Erfahrungen. Israel ist für uns das alte Land der Bibel mit interessanten Stätten und Orten, an denen Jesus und andere Personen der Bibel gewirkt haben. Schön, diese Orte mal zu sehen und zu erleben, auch wenn inzwischen vieles Ursprüngliche touristisch überlagert ist. Israel ist aber auch ein gut entwickeltes, hochmodernes demokratisches Land mit unzähligen Kulturen und Religionen. Und leider auch mit vielen inneren Problemen, angefangen bei militanten Palästinensern über Israel ablehnende orthodoxe Juden, einer höchst umstrittenen Siedlungspolitik bis hin zu einem Parlament, das von Einheimischen auch "Chaotenhaufen" genannt wird und stärker sein müsste. Israel ist umgeben von etlichen arabischen Staaten, die Israel nicht wohlgesonnen sind und eine permanente Bedrohung darstellen. Und trotzdem gibt es in diesem Land so viel positive Energie und Menschen, die daran interessiert sind, ihr Land und ihre Gesellschaft voranzubringen. Die meisten Israeli sind stolz auf das, was seit der Staatsgründung geschafft wurde, und alle - junge Männer wie Frauen - gehen zum Militär, um Israel zu schützen. Auch viele Araber und Menschen aus anderen Ländern haben ihren Platz in der Israelischen Gesellschaft gefunden. Neben allen Problemen ist das bemerkenswert.
Wer die Geschichte Palästinas und Israels kennt, weiß, dass dieses kleine Land - etwa so groß wie Hessen! - sich immer schon zwischen den Großmächten im Norden und Süden behaupten musste und oft von fremden Mächten besetzt war. In der Bibel hat sich die tiefe Überzeugung niedergeschlagen, dass Gott sich in besonderer Weise mit diesem kleinen Volk der Juden verbunden hat und es seit Jahrtausenden auf seinem Weg durch eine wechselvolle Geschichte begleitet hat und weiter begleiten wird. Dass es bis heute das kleine Israel an diesem Ort der Welt gibt und dass das Volk der Juden bis heute dort und weltweit existiert, ist ein Wunder und ein Hinweis darauf, dass das Versprechen, das Gott Abraham einst gab, noch gilt: "Geh in ein Land, das ich dir zeigen werde. Und ich will dich zu einem großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein." Gottes Segen ist ein Geschenk und bedeutet für Abrahams Nachfahren Zuspruch und Auftrag zugleich.
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Niehaus, Pfarrerin
Ein paar Gedanken zu dem neuen Kinofilm "Das brandneue Testament" - Teil 2 (Teil 1 war vorherige Woche abgedruckt)
Ea, die bislang unbekannte Tochter Gottes, rettet in dieser Filmgeschichte die Menschen und auch die Religion, würde ich sagen. Kindlich naiv und entschlossen zugleich marschiert sie im Sinne von Jesus - und auch in Absprache mit ihm - durch die Welt und interessiert sich für die Menschen mit ihren je eigenen schwierigen Geschichten. Sie ist liebevoll, hat ein offenes Ohr und hört sogar die Lebensmelodien dieser Menschen. Sie ist die Heldin dieses Films. Und immerhin ist klar: Eine Botschaft brauchen die Menschen, um gut zu leben und nicht am Ende sinnlos und beziehungslos - wie Gott selbst - zu enden. Doch dieses brandneue Testament, so scheint es mir, muss erst noch gesucht werden.
Dieser Film kommt im Gewande einer Komödie daher; das wirkt zunächst harmlos, aber es geht darin um eine völlig verzerrte Darstellung des christlichen Glaubens. Er nimmt eine religions- und kirchenkritische Stimmung auf, die es in unserer Gesellschaft durchaus gibt, und verbaut sie erschreckend und unterhaltsam zugleich zu einer Filmkomödie, bei der einem allerdings gar nicht so viele Lacher über die Lippen kommen. Kunst hat keine Skrupel, Gott als lächerliche Figur auftreten zu lassen, die ausgedient hat in dieser Welt. In einer pluralistischen freien Welt ist so ein Umgang mit Religion möglich.
Wir können, wenn wir dem nicht zustimmen können, nur unser Altes und Neues Testament dagegen halten und unseren christlichen Gott als guten Schöpfer und liebenden Vater predigen. Gott liebt die Welt und die Menschen, die immer wieder schuldig werden, so sehr, dass er sie nicht aufgibt und seinen Sohn Jesus geschickt hat. In diesem liebenden, leidenden und sterbenden Menschen Jesus, der am Ende wieder auferstehen und leben darf, zeigt sich Gott. Gott ist sympathisch und empathisch, er leidet in der Welt mit den Menschen, Tieren und allen Geschöpfen und will sie aus dem Dilemma von Sünde und Schuld erlösen. Aus dieser christlichen Thematik sollte man mal einen guten modernen Film drehen. Unser Neues Testament reicht, denn es ist immer noch brandaktuell: Nur die Liebe heilt und erlöst. Und Gott ist die Liebe.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Ein paar Gedanken zu dem neuen Kinofilm "Das brandneue Testament" - Teil 1 (Teil 2 folgt nächste Woche)
Neulich habe ich den belgisch-französischen Film "Das brandneue Testament" von Jaco von Dormael gesehen; er läuft gerade im Kino. Es geht nicht um ein neues privates Testament, das jemand macht, um sein Erbe zu regeln, sondern um ein brandneues religiöses Testament nach dem Alten und Neuen Testament. Das lässt uns als Christen vielleicht aufhorchen. Der Film arbeitet also bewusst mit der jüdisch-christlichen Tradition. Man merkt aber schnell, dass der Filmemacher äußerst frei - und in der Sache blasphemisch - mit dem Stoff umgeht. Denn Gott wird dargestellt als ein übellauniger, tyrannischer und verwahrloster Mann, der mit seiner Frau und seiner 10jährigen Tochter Ea freudlos in einer hässlichen Dreizimmerwohnung in einem Hochhaus in Brüssel wohnt. Den ganzen Tag ist er mürrisch, trinkt Alkohol, beschimpft seine Frau, schlägt seine Tochter und sitzt in einem Büro, wo er sich am alten PC bösartige Sachen und seltsame Gesetze für die Welt ausdenkt, mit denen er die Menschen ärgert.
Einen Sohn hat er auch, Jesus, aber er ist längst ausgezogen und hat in der Welt ein neues Testament verbreitet, von dem sich der Vater distanziert. Nachdem die Tochter die bösen Machenschaften ihres Vaters durchschaut hat, weil sie seinen PC geknackt hat, hält sie es mit ihm nicht mehr aus und geht auch weg und streift durch die Welt, auf der Suche nach 6 neuen Aposteln. Sie trifft diese Menschen, erfährt ihre Lebensgeschichten, die zum Teil traurig und skurril sind: ein sexsüchtiger Mann, der doch keinen echten Kontakt zum anderen Geschlecht findet, eine junge einarmige Frau, die sich auf niemanden richtig einlassen kann, eine alte wohlhabende Frau, die trotz Ehepartner einsam ist und ihr Herz an einen Gorilla verliert, ein Junge, der lieber ein Mädchen wäre. Ein paar nicht besonders tiefsinnige Lebensweisheiten aus ihren Lebensgeschichten lässt Ea aufschreiben für das brandneue Testament. Allen, die sie besucht, ist klar, wann sie sterben müssen, denn diese Nachricht über die Lebenszeit hat Ea mit dem Computer ihres Vaters an alle Handys gesendet, bevor sie aufbrach. Schließlich treffen sich alle neuen Apostel am Meer und denken, sie müssten sterben, weil ein Flugzeug auf sie zurast, aber im letzten Moment wird dieses Schicksal abgewendet.
Am Ende scheint der alte Herr Gott entmachtet und seine etwas senil wirkende Frau übernimmt als Göttin die Regie am PC und malt den Himmel voller Blumen. Tochter Ea kann über Wasser laufen wie ihr Bruder, während der sie verfolgende tölpelhafte Gott Vater im Wasser versinkt. Das sind die letzten Szenen dieses Films.
Ein skurriler Film, einer, bei der ich die Botschaft - eben das brandneue Testament - ehrlich gesagt (noch) nicht verstanden habe. Ist die neue Botschaft: Frauen, Göttinnen, sind nun an der Macht und der alte tyrannische und bösartige Mann-Gott ist entmachtet? Nein, unwahrscheinlich, diesen Film hat keine Feministin gedreht, sondern ein Mann. Oder ist das brandneue Testament die alte Botschaft, nur neu aufgelegt: Bedenke, dass dein Leben endlich ist, und fülle es mit Sinn und Glück? Oder ist das brandneue Testament das, was Ea lebt, indem sie vorurteilsfrei und liebevoll auf alle Menschen zugeht?
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Eins der 10 Gebote lautet: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wieder deinen Nächsten. In der momentanen Flüchtlingsdebatte gibt es immer wieder negative Nachrichten über Flüchtlinge, die vor allem in den sozialen Netzwerken gepostet und geteilt werden und die überhaupt nicht stimmen. Sie haben nicht den Zweck, zu informieren, was sie vorgeben zu tun, sondern sie wollen bewusst die Stimmung gegen Flüchtlinge anzuheizen. Das Main-Echo, das normalerweise nicht auf Gerüchte und Falschmeldungen in den sozialen Medien reagiert, hat nun am 25. Januar auf Seite 2 etliche dieser auf unsere Region bezogenen falschen Behauptungen und Geschichten dementiert.
Falsches Zeugnis wird von jeher eingesetzt, um gegen bestimmte Menschen oder Gruppen von Menschen zu agieren und sie und ihren Ruf zu schädigen. Eben wider den Nächsten ist es gedacht. Das für uns schlimmste Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist die Verunglimpfung und Verteufelung der Juden in den 30er und 40er Jahren in Deutschland. Sie führten zu einem erschreckenden Rassismus und zu Millionen von entrechteten, entwürdigten und ermordeten Juden. Eine alte jüdische Weisheit aus dem Talmud erinnert uns daran, dass aus Worten und Gedanken Charaktere und Taten werden können:
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden zu Worten.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden zu Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.
In Zeiten der modernen Medien kann man mit Falschaussagen noch schneller Schlimmes anrichten als zu früheren Zeiten. Deswegen müssen wir wachsam und kritisch sein, wenn wir etwas lesen, und vor allem, bevor wir es weiter verbreiten. Denn das alte Gebot macht nach wie vor Sinn: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wieder deinen Nächsten.
Das meint und grüßt sie herzlich
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Gedanken aus der Neujahrsansprache in Mainaschaff, Teil 2
Natürlich kriegen wir mit, dass es fremdenkritische Stimmungen gibt, viele (auch berechtigte) Fragen, Ängste, Irritationen, Anfeindungen, auch bei uns. Es gibt Leute, die offen oder hinter vorgehaltener Hand sagen: "Wir wollen die vielen Flüchtlinge nicht." Oder die die Politik von Merkel doof oder naiv finden.
Neulich in einer Religionsstunde brach das aus vielen Kindern der 3. Klassen heraus, spontan, bei einem ganz anderen Thema. Und es gab kein Halten. Kinder sind ehrlich. Sie nehmen kein Blatt vor dem Mund. Zum Teil kenne ich die Elternhäuser - und war verwundert. So viel aufgeregte Schüler und massive Stimmung gegen Flüchtlinge hatte ich nicht erwartet. Nach der Stunde war ich geplättet. Und es hat mich nicht gerade aufgebaut, dass eine andere Lehrerin Ähnliches in einer Relistunde erlebt hatte.
4 Wochen später. Die gleiche Religionsklasse. Wir sind bei der Weihnachtsgeschichte, wie sie Matthäus erzählt. Von dem blöden und bösen König Herodes haben wir gehört, der erst Jesus aus dem Weg schaffen wollte und - als die Weisen aus dem Morgenland ihm nicht helfen wollten und Jesus nicht verraten haben (das fanden die Kinder klasse) - den Kindermord für alle kleinen Jungs im Land befahl. Die Schüler waren entsetzt. Was, der kleine Jesus sollte gleich nach Weihnachten getötet werden? Oder andere kleine völlig unschuldige Jungs?
"Was würdet ihr nun tun?" fragte ich die Kinder: "Weggehen, irgendwo Sicherheit suchen." Gute Idee. "Ja, wo ist denn Sicherheit?" fragte ich weiter. "Im Ausland, wo Herodes keine Macht hat." Ganz genau, so haben es Maria und Josef mit ihrem Kind Jesus gemacht. Sie flohen nach Ägypten, mit Hilfe von Gott und einem Engel, der Josef wichtige Tipps gab. Jesus war also schon als Baby auf der Flucht, ein Flüchtlingskind. Später, als Herodes tot war und die Gefahr vorüber war, kehrten sie wieder heim, so wie auch heute viele Flüchtlinge irgendwann in ihr Land zurück wollen, wenn die Zeiten und Umstände es zulassen.
Ich habe den Kindern erklärt, dass heutzutage Menschen aus ähnlichen Gründen flüchten und im Ausland Schutz und ein normales Leben suchen, natürlich auch bei uns. Die Schüler haben das verstanden, sie wurden ganz still und es kam in dieser Stunde keine einzige fremdenfeindliche Bemerkung mehr.
Die Kinder haben verstanden. Wir hoffentlich auch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin
Gedanken aus der Neujahrsansprache in Mainaschaff, Teil 1 (2. Teil folgt nächste Woche)
Wir sind vergesslich, grundsätzlich und auch in der Flüchtlingsfrage.
Wir haben vergessen, dass im vergangenen Jahrhundert auch von Deutschland aus Schrecken, Krieg und politische Verfolgung ausgegangen sind und Menschen - viele, Tausende, Millionen - gezwungen waren, sich zu verstecken, ins Ausland zu gehen, zu fliehen. Zunächst die Juden, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden. Später gab es unzählige Flüchtlingstrecks aus vertriebenen Deutschen aus den Ostgebieten, aus Pommern, Preußen, Schlesien, dem Sudetenland - und viele sind hier in Deutschland angekommen (12 Millionen!!), auch bei uns in Oscheff. Unsere heutige Heimat Mainaschaff mit knapp 9000 Menschen ist ohne die vielen Flüchtlinge der vierziger Jahre gar nicht vorstellbar. Das war auch damals nicht einfach, für beide Seiten. Das weiß ich aus vielen Erzählungen. Aber heute sind sie längst verwurzelt und gehören dazu. Sind integriert nach 2-3 Generationen.
Unsere evangelischen Gemeinden hier am Untermain, auch Mainaschaff, Stockstadt und Kleinostheim, sind Flüchtlingsgemeinden. Viele damalige Flüchtlinge waren evangelisch. Diese Evangelischen haben die ev. Gemeindegründungen und den ev. Kirchbau vorangetrieben. Sie wollten hier auch eine kirchliche Heimat finden. Ich beerdige deshalb eigentlich nur Menschen, die nicht hier geboren wurden.
Auch in den 80er und 90er Jahren sind noch einmal viele Menschen zu uns gekommen, aus den ehemaligen Sowjetstaaten, aus Russland, Kasachstan. Die Großeltern- und Elterngenerationen spüren sicher noch manche Fremdheit in Deutschland, aber die Enkel und Urenkel sind hier zuhause wie alle anderen. In der Schule merke ich, wie sehr sich allein in den letzten 10 Jahren bei den Aussiedlern vieles verändert hat. Wir wachsen zusammen.
Und mit der Öffnung der Mauer 1989 gab es einen weiteren Schwung neuer Menschen.
Wir vergessen das alles so leicht. Obwohl, das stimmt nur bedingt, denn wir in Oscheff erinnern uns seit einigen Jahren immer wieder daran, dass Mainaschaff ein Ort mit vielen Kulturen und Nationen ist - nämlich auf unseren Noigeplackten-Festen.
Wir haben sie alle integriert und sie haben sich eingebracht und integriert, viele verschiedene Menschen. Sie gehören zu uns, sind heute auch unter uns hier in der Maintalhalle.
Wir vergessen das so leicht. Heute erinnern wir uns.
Auch in der Bibel werden wir immer wieder daran erinnert, dass es Fremde gibt und dass wir selber Fremde sein können. Zu allen Zeiten sind Menschen wegen Missernten, Dürre und Hunger oder weil sie verfolgt wurden in andere Länder gezogen. Die Bibel ermahnt uns, die Fremden zu schützen. Auch erinnert sie die Israeliten daran, dass sie selber mal Fremdlinge in Ägypten waren, wo sie zunächst willkommen waren, aber dann drangsaliert und unterdrückt wurden, so dass sie unendlich litten und schließlich flohen (Auszug aus Ägypten).
Gegen das Vergessen hilft nur Erinnern.
Es grüßt sie freundlich und wünscht Gottes Segen für das neue Jahr
Ihre Birgit Niehaus, Pfarrerin